Der Bernstein-Mensch
blinzelnd versuchte er, ein sandiges Gefühl in den Augen niederzukämpfen. Aus irgendeinem Grunde war seine Sicht nach unten dunkel und wie verklebt. Er konnte die Schweißnähte auf dem Fußboden nicht erkennen. Er wußte, daß die Leute sich um die Bay versammelten, ihn beobachteten und auf Neuigkeiten über Mara warteten. Er hörte, wie sie flüsternd miteinander sprachen, aber er verstand keine Einzelheiten. Dennoch wärmte ihn die wachsende, geschäftige Unruhe unter den Leuten, seinen Leuten. In müßiger Rationalität fragte er sich, wie viele Worte wohl jeden Tag im Orb gesprochen wurden. Ganz sicher Millionen. Die meisten davon trivial, fast alle in gewisser Weise falsch, aber jedes einzelne wichtig. Das Universum scherte sich nicht um Worte, sie waren nicht seine Sprache. Es hatte kein Gefühl für das Wortnetz, das jede Person für die anderen auswarf. Und so war das Orb ein seltsamer, hohler Punkt, der sich inmitten einer großen, notwendigen Leere um sich selbst drehte. Ein Ort, und ein Gefühl von Geborgenheit.
Die Schleusentür teilte sich. Mara war nackt bis auf den Slip, aber sie hielt sich aufrecht und humpelte, auf Tsubatas Schulter gestützt, heraus. Blutig rote Abschürfungen an Beinen, Schulter und Bauch hatte man abgetupft und mit einer bereits verkrustenden, kristallinen Schutzschicht bedeckt.
Die Menge vor der Schleuse seufzte auf, als sie erschien, und das Geräusch war so dicht, daß man es fast sehen konnte. Alle redeten durcheinander, aber Bradley fixierte Mara und Tsubata, wie sie in schmerzhafter Langsamkeit auf ihn zukamen. Die Leute teilten sich und öffneten einen Gang, so daß er freie Sicht hatte. Maras Mund stand ein wenig offen, sie atmete tief, und ihr Gesicht war bleich. Aber ihre Augen hatten ihr wildes Glitzern behalten, und sie waren starr auf Bradley gerichtet.
„Sie haben mir von Corey erzählt“, sagte sie, als Tsubata mit ihr stehenblieb.
„Jetzt kannst du ein weiteres Experiment abschreiben.“
„Wir haben einen Mann verloren“, sagte Bradley sanft. „Einen von vielen.“
„Wieder ein technologischer Haltepunkt für den Zustand der Menschheit. Und wie alle andern hat er nicht funktioniert.“ Mara sagte das ohne den üblichen bitteren Unterton. Den tiefen Falten der Erschöpfung in ihrem Gesicht zum Trotz funkelten ihre Augen. Sie lächelte trocken und mit herabgezogenen Mundwinkeln.
„Vielleicht.“
„Wieso müßt ihr immer am Hirn herumpfuschen, Bradley?“ sagte Mara mit plötzlicher, neuer Energie. „Wieso entwickelt ihr nicht Menschen, die Zeitungen verdauen können, oder lernt, wie man Photosynthese vollzieht? Wieso verdreht ihr die DNS, um die Intelligenz zu steigern? Wie soll denn das gutgehen? Zum Teufel, die Menschen, die das tun, sind geisteskrank – das ist nämlich der eigentliche Grund für das Projekt.“
„Ich weiß.“
„Ja, ja.“ Tsubata drückte sie sanft an sich, und sie schien sich in seinem Arm zu entspannen. Die Leute drängten sich um die drei in der Mitte und erfanden unter vielen Oohs und Aahs Geschichten füreinander.
Sie sind alle ein Teil der gesamten Matrix, dachte Bradley, ein Ganzes. Hier draußen, fern von dort, wo sie angefangen hatten, gab es eine Leere, die sich nur mit der Verknüpfung von Menschen füllen ließ. Mit einer Gemeinschaft.
„Komm her, Bradley“, sagte Mara. „Ich will dir etwas ins Ohr sagen.“
Bradley neigte sich steif nach vom und streckte die Hände aus, um sie zu stützen.
Impulsiv ließ sie sich in Bradleys Arme gleiten. Sie hob den Kopf und legte ihren Mund auf seinen, beinahe wie um ihn am Weiterreden zu hindern. Ihre Augen kräuselten sich genüßlich. Es begann wie ein einfacher Kuß, und dann glitt ihre Zunge
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