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Der Bernstein-Mensch

Der Bernstein-Mensch

Titel: Der Bernstein-Mensch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gordon Gregory & Eklund Benford
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er­in­ner­te sich an das, was er ge­lernt hat­te, und schloß eben­falls die Au­gen.
    Und hielt sie ge­schlos­sen. In der Dun­kel­heit ver­ging die Zeit schnel­ler, als es den An­schein hat­te, aber er war si­cher, daß fünf Mi­nu­ten ver­stri­chen.
    Dann be­gann der Ali­en zu spre­chen. Nein – er sprach nicht. Er sang ein­fach, sei­ne Stim­me vi­brier­te mit den ho­hen, su­chen­den Klän­gen ei­ner gut ge­stimm­ten Vio­li­ne, auf und ab über die Ton­lei­ter, ein an­ge­neh­mer Ton, be­ru­hi­gend und kühl. Reynolds ver­such­te ver­zwei­felt, sich auf das Lied zu kon­zen­trie­ren und die Exis­tenz je­des an­de­ren Ge­fühls zu igno­rie­ren, nichts und nie­man­den zur Kennt­nis zu neh­men – nur Ver­gnan. Er igno­rier­te den Ge­schmack und den Ge­ruch der Luft und das fer­ne Stamp­fen der Schiffs­ma­schi­nen. Der Ali­en sang erst tiefer und kla­rer, und dann wie­der stieg sei­ne Stim­me hö­her und hö­her und wand­te sich jetzt den Ster­nen zu. Jo­na­thon hat­te auch ge­sun­gen, aber nie­mals so. Wenn Jo­na­thon sang, war sei­ne Stim­me in ängst­li­chem Su­chen da­von­ge­jagt, wild um­her­het­zend und ver­ge­bens nach ei­nem Ziel for­schend. Ver­gnan sang oh­ne einen Zwei­fel. Er – es –, er war si­cher. Reynolds spür­te die über­wäl­ti­gen­de Männ­lich­keit die­ses We­sens, sei­ne pa­tri­ar­chi­sche Kraft und Wür­de. Kein Zwei­fel, kein Wan­ken lag in sei­ner Stim­me und in sei­nem Lied. Er wuß­te stets ge­nau, wo­hin er sich rich­te­te.
    Hat­te er et­was ge­fühlt? Reynolds wuß­te es nicht. Wenn ja, was? Nein, nein, dach­te er und kon­zen­trier­te sich noch stär­ker auf die Stim­me, so tief, daß ei­ne lo­gi­sche Ge­dan­ken­fol­ge nicht mehr mög­lich war. In­ner­lich fühl­te er sich stark, le­ben­dig, er­neu­ert, wie­der­ge­bo­ren. Ich bin ein neu­er Mensch. Reynolds ist tot. Er ist je­mand an­ders. Die Ge­dan­ken ka­men ihm wie ge­flüs­ter­te Wor­te von ei­nem an­de­ren. Geh, Reynolds. Flieg. Geh fort. Flieg.
    Dann be­merk­te er, daß er sel­ber sang. Er konn­te Ver­gnan nicht imi­tie­ren, denn da­für war sei­ne Stim­me zu fremd, aber er ver­such­te es und hör­te, wie sei­ne ei­ge­ne Stim­me der an­de­ren be­ängs­ti­gend na­he kam, in de­ren be­stän­di­gen Tö­nen bei­na­he ver­sank und von ihr auf­ge­so­gen wur­de. Die bei­den Stim­men ver­misch­ten sich plötz­lich, wur­den eins mit­ein­an­der … ver­schmol­zen … und die­se ei­ne Stim­me stieg im­mer hö­her, ver­harr­te und stieg wei­ter, hö­her und wei­ter hin­aus – wei­ter und tiefer.
    Dann fühl­te er es. Reynolds. Und er wuß­te, was es war.
    Die Son­ne.
    Äl­ter als die gan­ze Er­de. Ein We­sen, viel grö­ßer und un­er­meß­li­cher, macht­vol­ler und wei­ser. Gott­heit als Ku­gel aus Hit­ze und Ener­gie.
    Reynolds sprach mit den Ster­nen.
    Er be­griff es, und die Vor­stel­lung ließ ihn schau­dern. Vol­ler Angst wich er in­stink­tiv zu­rück, sei­ne Stim­me wank­te, sank zu­sam­men und zer­brach. Er has­te­te zu­rück, auf der Su­che nach der Er­de, aber Ver­gnan zog ihn wei­ter, drän­gend und kraft­voll. Jen­seits des ober­fläch­li­chen Lich­tes der Son­ne er­fuhr er die Ge­samt­heit des­sen, was in ih­rem In­nern ver­bor­gen lag. Den Kern. Die un­durch­dring­li­che Dun­kel­heit. Noch ein­mal pack­te ihn Angst. Er fleh­te dar­um, flie­hen zu dür­fen. In der Hit­ze des Feu­ers ström­ten Trä­nen über sein Ge­sicht, und er bet­tel­te. Aber Ver­gnan zog ihn wohl­wol­lend mit sich. Komm wei­ter. Komm. Sieh. Wis­se. Kräf­te streb­ten spi­ral­för­mig zu ei­nem Punkt hin.
    Und er sah.
    Konn­te er es als ‚bö­se’ be­zeich­nen? Den­ken war ei­ne Ab­sur­di­tät. Nicht den­kend, son­dern füh­lend und emp­fin­dend er­fuhr er die Ganz­heit die­ses We­sens … ei­nes Sterns … der Son­ne … und er sah, daß es nicht bö­se war. Er spür­te die gren­zen­lo­se To­ta­li­tät des Nichts, das sich auf­tat. Ein Emp­fin­den exis­tier­te nicht mehr. Käl­ter als Käl­te, schreck­li­cher als Haß, elen­der als Angst, schwär­zer als das Bö­se. Das un­end­li­che, das gan­ze in­ne­re Nichts von al­lem, was es gab, von al­lem.
    Ich ha­be ge­nug ge­se­hen. Nein.
    Ja, rief

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