Der Bernstein-Mensch
hier viel zu studieren. Ich brauche Zeit. Ich gebe kurze Energiestöße mit dem Fusionsreaktor ab, und der Ballon über mir erhitzt sich und schwillt an. In einem brutalen, schlingernden Ruck wird Corey nach oben gerissen. Aufwärts durch samtene Strömungen. Die Gondel knarrt wie morsches Holz, und vielfache Gravitation preßt Coreys Körper zusammen. Er spürt, wie das Blut sich klumpig durch ihn pumpt. Er (es) (sie) fragt sich, ob dieses Herz, dieses braune, sich ballende Organ, wohl auch kugelförmig sein mag – eine rosige Kugel, pumpend im Zentrum des Lebens.
Die umeinanderrollenden Wesen weichen nach unten zurück. Noch immer tanzen sie ihren eleganten Walzer. Die rotierenden Wolkenwände des Zyklons verjüngen sich nach außen und kommen immer näher, je höher ich steige.
Ich schalte die Optik um und erhalte ein Bild von der Spitze meines aufstrebenden Ballons. Ein matter schwarzer Fleck zeigt mir, daß in der Wolkendecke über mir ein beinahe freies Loch ist. Fast kann ich die Sterne sehen. Aber das Loch liegt mindestens hundert Kilometer höher, und ich habe nicht die Absicht, so weit zu steigen.
Ich fließe stetig dahin, den Schwung der wirbelnden Turbulenzen ausgleichend. Eine bohrende Freude liegt in diesen Bewegungen, und ich genieße sie.
Ich betrachte die Wesen dort unten. Es ist wahr, sie bewegen sich in machtvoller Langsamkeit. Sie wirken eher wie treibender Seetang oder wie grasendes Vieh. Ihr Tanz ist nicht leicht und flüchtig wie meiner. Noch nie haben sie die Sterne gesehen, auch nicht durch dieses Auge im Zyklon, dieses Loch, das sich tief durch die Wolkenbänke bohrt. Sie kennen nur diese begrenzte Welt.
Corey hält inne und empfängt die Nachricht von Mara, und er überdenkt sie.
Mara ist hindurchgedrungen, mitten ins Zentrum. Sie spürt, wie es hier ist. Sie hat durch meine Augen gesehen. Auf einer gekrümmten Fläche gibt es keine euklidischen Bestimmtheiten. Die Winkelsumme eines Dreiecks beträgt nicht 180 Grad. Wie dies den Geist formt, das weiß ich nicht; ich bin den Menschen immer noch näher als diesen beschaulichen Wiederkäuern dort unten.
Meine Instrumente erfassen sie. Das Magnetfeld zeigt immer noch sein Fließen und Strömen. Der hohe, scharfe Ton flutet wieder über mich hinweg. Ich beginne das Signal zu analysieren, es mit dem Computer in seine Komponenten aufzuspalten.
Und ich gebe es auf.
Vielleicht ist dies nicht der Kern. Mara sieht klarer, denn sie ist nicht so detailbesessen wie ich. Ich muß mich entspannen und darauf warten, daß die Dinge sich von allein eröffnen.
Dabei durchfließen mich die tiefen, wellenden Töne von unten. Ich bin frei, ich schwebe. Ich fühle mich kühl und glatt. Die Klänge verschmelzen, und endlich spüre ich ein Lied. Es ist eine ruhige, klingende Botschaft. Gelassen. Heiter. Sie hallt durch meine Hülle und findet dort eine keramische Festigkeit. Die geschwollenen Harmonien sammeln neue Kräfte.
Instinktiv antworte ich. Corey richtet seinen Sender aus. Mein Signal ist dünn und schwach, aber auf diese kurze Distanz – –
Sie hören! Sie wiederholen meinen Ruf. Ein langes, rumpelndes Signal schwingt durch das Magnetfeld rings um die Gondel. Es ist eine riesige Hand, die mich ergreift, im wallenden Weiß dieser fremden Luft. Es ist größer als alles, was ich kenne.
7
„Die Signale, die wir jetzt von ihm bekommen, gefallen mir nicht“, sagte Bradley. Er wartete, aber Mara antwortete nicht. „Seine Nachrichten sind unzusammenhängend, und manche ergeben keinen Sinn.“
„Corey hat nie sehr viel Sinn gehabt“, sagte Mara geistesabwesend. „Aber ich verstehe, was du meinst. Ich rede mit ihm.“
Damit unterbrach sie die Verbindung. Bradley schaltete sich
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