Der Beschütze
das der Mann von der Spurensicherung von ihrem Fensterbrett gemacht hatte. Danny Marsh war in der Nacht schweigend an ihr vorbeigegangen. War hinausgestiegen und wieder hereingeklettert. Hatte ihr nichts getan. Hatte sie nicht einmal geweckt.
Das spielte jetzt keine Rolle mehr.
Unter seinen Hemden fand sie einen kleinen Stapel Pornohefte. Vollbusige Blondinen und aufreizende Hausfrauen. Eigentlich ziemlich zahm, nach heutigen Standards. Auf jeden Fall zahmer als die Sachen, die Eric manchmal aus der Chronik ihres Computers zu löschen vergaß.
Sie hatte Danny Marsh gemocht. Er war ein guter Zuhörer. Als sie das eine Mal zusammen im Pub gewesen waren,
hatte er sie zum Lachen gebracht. Rice setzte sich aufs Bett. Es stand noch immer unter dem Fenster, wo Danny es hingezerrt hatte, damit er das Laken daran festmachen konnte, ehe er hinaussprang.
Dort fand Alan Marsh sie eine Viertelstunde später, als ihr lautes Schluchzen ihn aus seinem magischen Schlaf riss.
Er setzte sich neben sie und nahm ihre Hand in die seine und beschwichtigte sie sanft, so wie er es immer bei Yvonne gemacht hatte, wenn ihr wieder eingefallen war, dass sie den Verstand verloren hatte. Sie saßen lange so da – die weinende Polizistin und der trauernde Ehemann und Vater. Ihre ineinander verschlungenen Hände ruhten in ihrem Schoß, auf einer eselsohrigen Ausgabe von Heiße Titten.
3 Tage
Lucy Holly hasste John Marvel, und es fühlte sich gut an.
Sie war so sehr daran gewöhnt, ihre Hände zu hassen, ihre Beine, ihr Gedächtnis, ihre Krankheit, dass es auf eine unnachgiebige, zornige Art und Weise belebend war, etwas Berührbares zu hassen; etwas, das nichts mit ihr zu tun hatte. Etwas, das vielleicht tatsächlich fähig war, sich einen Dreck um ihren Hass zu scheren.
Jonas hatte ihr erzählt, dass Marvel offensichtlich dachte, er hätte Danny Marsh geschützt, Danny sei der Mörder und Jonas deswegen irgendwie mitschuldig an den Morden. Und er hatte ihr erzählt, wie Marvel den Wortlaut der ersten Botschaft wiederholt hatte.
Und so was nennt sich Polizist!
Dieser Dreckskerl.
Der Gedanke, Jonas oder Danny hätten etwas mit alldem zu tun, war lachhaft. Oder er wäre lachhaft, wenn das Ganze nicht so ernst gewesen wäre. Sie fand Jonas ein bisschen paranoid, fand, dass die Vorstellung, Marvel könnte in die Verbrechen verwickelt sein, ein wenig zu weit hergeholt war. Doch sie hasste Marvel trotzdem, weil er Jonas verspottet hatte, als dieser ganz offensichtlich unter Schock gestanden hatte. Auch wenn seine Worte nur ein Zufallstreffer gewesen waren.
Danny Marsh war tot. Lucy konnte es selbst kaum glauben. Danny, der mit seinem Dad und Ronnie Trewell in der kleinen Werkstatt A & D MARSH AUTOREPARATUREN Schichtdienst schob. Danny, der so nett war, dass sie nie verstanden hatte, warum ihn sich nicht irgendein Mädchen aus der Gegend geschnappt hatte.
Jonas hatte sich nicht weiter über seine Kinderfreundschaft mit ihm ausgelassen, doch sie nahm an, dass diese enger gewesen war, als er es geschildert hatte. So verstört, wie er wegen Dannys Tod gewesen war.
Nachdem er einmal losgelassen und angefangen hatte zu weinen, war es ihm schwergefallen, wieder aufzuhören.
Es tut mir leid, sagte er immer wieder, es tut mir leid – als hätte er irgendetwas Schreckliches getan, anstatt sich endlich verständlicher Trauer hinzugeben.
Hier, über den Resten des Frühstücks – Eierschalen und Brotkrusten –, spürte Lucy, wie ihre Augen bei der Erinnerung daran ganz heiß wurden, wie ihr großer, tüchtiger Mann in ihren Armen zu einem schluchzenden, gekrümmten Bündel geworden war.
Dieser Dreckskerl!
Jonas war schon weg – ganz der Profi, auch wenn sich andere Profis ihm gegenüber wie Arschlöcher benahmen. Er hatte nicht einen einzigen Tag freigehabt, seit das alles angefangen hatte. Aus einer ungewöhnlichen Laune heraus rief sie ihn an.
Ich liebe dich, wollte sie sagen. Einfach nur so.
Doch das Telefon klingelte einfach immer weiter.
Marvel würde an ihrem Cottage vorbeimüssen, um von der Springer Farm ins Dorf zu kommen.
Noch ehe sie das Ganze wirklich durchdacht hatte, hatte Lucy sich schon ihre Krücken geschnappt, die Füße in ihre Gummistiefel gerammt und war zur Haustür hinaus.
Jonas fuhr durch Shipcott, ohne anzuhalten. Er kam an der mobilen Einsatzzentrale und an Danny Marshs Haus vorbei, ohne auch nur hinzusehen.
Sein Kopf fühlte sich so taub an, dass seine Gedanken lediglich Fetzen und
Weitere Kostenlose Bücher