Der Besucher - Roman
Verdacht, dass ich mich über sie lustig machen wolle, und dann fiel mir wieder ein, wie sie sich bei mir über dieses »furchtbare Kleid und das Häubchen« beklagt hatte, dass sie bei den Ayres tragen sollte. Tatsächlich war sie ziemlich eigentümlich ausstaffiert, sie trug ein schwarzes Kleid mit weißer Schürze; die kindlichen Handgelenke und der zarte Hals verschwanden fast unter den gestärkten Manschetten und dem Kragen, und auf ihrem Kopf thronte ein verspieltes Rüschenhäubchen, wie ich es zuletzt vor dem Krieg gesehen hatte. Doch irgendwie passte ihr Aufzug perfekt in diese altertümliche schäbig-elegante Umgebung.
Im Übrigen sah Betty ziemlich gesund aus und gab sich redlich Mühe, die Tassen zu decken und die Kuchenstücke zu verteilen, ganz so, als hätte sie sich gut eingewöhnt. Als sie fertig war, deutete sie sogar einen Knicks an. Mrs. Ayres sagte: »Danke, Betty, du kannst gehen«, woraufhin sie sich umdrehte und das Zimmer verließ. Wir hörten das leiser werdende Klatschen und Quietschen ihrer derben Sohlen, während sie zurück ins Untergeschoss ging.
Caroline stellte eine Schüssel mit Tee für Gyp auf den Boden und meinte: »Die arme Betty. Sie ist nicht zum Stubenmädchen geboren!«
Doch ihre Mutter sagte nachsichtig: »Ach, wir müssen ihr einfach ein bisschen mehr Zeit lassen. Ich muss immer daran denken, was meine Großtante gesagt hat: Ein gut geführtes Haus ist wie eine Auster. Die Mädchen kommen als Sandkorn zu einem, und zehn Jahre später verlassen sie einen als Perle!«
Ihre Worte waren sowohl an Caroline als auch an mich gerichtet – offenbar hatte sie völlig vergessen, dass auch meine Mutter mal eines der Sandkörner gewesen war, von denen ihre Großtante gesprochen hatte. Ich glaube, selbst Caroline hatte es vergessen. Beide saßen bequem auf ihren Sesseln und ließen sich Tee und Kuchen schmecken, die Betty für sie vorbereitet, dann unbeholfen hereingetragen und ihnen serviert hatte, auf Geschirr, das Betty beim Klingeln einer Glocke rasch wieder abräumen und spülen würde … Diesmal sagte ich jedoch nichts. Ich saß nur da und ließ mir gleichfalls Tee und Kuchen schmecken. Denn wenn sich das Haus wie eine Auster an die Verfeinerung Bettys gemacht hatte und sie Schicht um Schicht mit seinem besonderen Charme überzog, dann hatte es wohl auch bei mir mit einer ähnlichen Veränderung begonnen.
Genau wie Caroline es vorhergesagt hatte, leistete ihr Bruder uns an diesem Tag keine Gesellschaft; sie selbst war es, die mich einige Zeit später zu meinem Auto begleitete. Sie erkundigte sich, ob ich auf direktem Weg zurück nach Lidcote fahren würde, und ich erwiderte, dass ich vorhätte, noch einen Patienten in einem anderen Dorf aufzusuchen. Als ich den Namen des Dorfes erwähnte, sagte sie: »Oh, dann sollten Sie besser quer durch den Park fahren und das Tor auf der anderen Seite nehmen. Das geht viel schneller, als wenn Sie den gleichen Weg wieder zurückfahren und dann einmal ganz um den Park herummüssen. Aber Vorsicht: Der Weg ist genauso schlecht wie der, auf dem Sie gekommen sind, passen Sie also auf Ihre Reifen auf.« Dann kam ihr plötzlich eine Idee. »Aber sagen Sie: Würde es Ihnen helfen, wenn Sie den Park öfter nutzen könnten? Als Abkürzung zu Ihren Patienten, meine ich?«
»Nun«, erwiderte ich, während ich ihren Vorschlag bedachte. »Ja, ich glaube, das würde es wohl. Sehr sogar.«
»Dann fahren Sie doch ruhig durch den Park, wann immer Sie wollen. Es tut mir bloß leid, dass wir noch nicht eher auf die Idee gekommen sind. Sie werden feststellen, dass die Tore mit einem Draht verschlossen sind, aber nur, weil wir seit Kriegsende immer mal wieder Probleme mit Wanderern hatten, die einfach in den Park marschiert sind. Hängen Sie hinterher einfach wieder die Drahtschlinge über die Tore; sie sind nicht richtig verschlossen.«
»Wäre Ihnen das wirklich recht?«, erkundigte ich mich. »Auch Ihrer Mutter und Ihrem Bruder? Ich nehme Sie beim Wort, wissen Sie, und bin dann am Ende jeden Tag hier bei Ihnen im Park.«
Sie lächelte. »Das wäre doch schön. Nicht wahr, Gyp?«
Sie trat ein paar Schritte zurück, die Hände in die Hüften gestemmt, und schaute zu, wie ich das Auto anließ und wendete. Dann schnipste sie mit den Fingern nach dem Hund, und die beiden steuerten über den Kies davon.
Ich suchte mir meinen Weg zur Nordseite des Hauses und hielt Ausschau nach der anderen Zufahrt. Da ich den Weg nicht kannte, fuhr ich langsam und warf
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