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Der Beutegaenger

Titel: Der Beutegaenger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Roth
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hat er gestern wohl auch zufällig mitbekommen, dass es eine weitere Tote gegeben hat.«
    Hinnrichs zog misstrauisch die Stirn in Falten. »Haben Sie sich ihm gegenüber zur Sache geäußert?«
    »Nein«, sagte Verhoeven. Am Morgen war ihm aufgefallen, dass er für den Weg zur Arbeit immer länger brauchte. Dass er langsamer wurde, je näher er seinem Büro kam. Dass er die Treppe nahm statt den Aufzug. Das Unausweichliche aufschieben. Kleine Fristen, um wieder zu Kräften zu kommen. »Natürlich nicht.«
    »Und was ist mit der Heller?«
    »Weder Frau Heller noch ich haben einen Kommentar abgegeben«, sagte Verhoeven noch einmal. »Aber offensichtlich hat dieser Brauner es verstanden, sich die entsprechenden Informationen anderswo zu beschaffen.«
    »Was soll das heißen?«, fragte Hinnrichs alarmiert.
    Verhoeven hielt seinem Blick stand. Eisern. Keine Miene verziehen, keinen Blick hinter die Fassade gewähren. »Vielleicht hat er gewisse Kontakte hier ins Präsidium.«
    »Das muss er wohl«, stimmte Bredeney in Hinnrichs’ Rücken zu. »Denn bisher verfügt ja eigentlich nur die Polizei über die entsprechenden Informationen.«
    »Na, großartig«, rief Hinnrichs. »Teilen wir unser Wissen also mit der Öffentlichkeit. Die Leute werden uns bereitwillig unterstützen.« Er schenkte Verhoeven ein hässliches kleines Lächeln. »Sie werden in Hinweisen ersticken.«
    Hinter ihm zwängte sich Winnie Heller an Bredeney vorbei, der noch immer mit unverhohlener Neugier im Türrahmen lehnte. »Was Neues?«
    »Anzeigen will dieser Komiker Sie übrigens auch«, fuhr Hinnrichs, an Verhoeven gewandt, fort, ohne ihrer Frage Beachtung zu schenken. »Tätlicher Angriff. Mutwillige undunerlaubte Einschränkung der Pressefreiheit. Körperverletzung. Suchen Sie sich was aus.« Er riss die Zeitung an sich und stürmte zur Tür. »Und der Nächste, der hier mit Journalisten plaudert, ist suspendiert, verstanden?«
    »Ich wünsche Ihnen auch einen schönen Tag!«, rief Verhoeven hinter ihm her.
    »Dieser Reporter von gestern?«, erkundigte sich Winnie Heller, indem sie ihren Hals von einem wuscheligen blauen Fransenschal befreite und diesen zusammen mit ihrem Parka über die Lehne ihres Bürostuhls warf.
    Verhoeven nickte. »Haben Sie’s noch nicht gelesen?« Sie verneinte.
    Bredeney reichte ihr eine Zeitung über den Tisch. »Es ist ganz groß aufgemacht: Perverser Serienkiller tötet drei Frauen innerhalb von nur vier Wochen.« Er seufzte. »Dieser Brauner scheint seinen Job zu verstehen. Er ist sowohl über die Chrysantheme als auch über die Mohnsamen informiert. Und er wirft der Polizei vor, die Sache unter den Teppich zu kehren.«
    »Verdammter Mist«, entfuhr es Winnie Heller. »Das bedeutet eine ganze Menge Extraarbeit und viele falsche Spuren.«
    »Wer weiß, wozu es gut ist«, entgegnete Verhoeven. »Vielleicht ist der eine oder andere nützliche Hinweis dabei . ..«
     
     
     
    Durch die gemütliche Düsseldorfer Altstadtwohnung schwebte der belebende Duft von frisch gebrühtem Kaffee. Alois Breidstettner saß an seinem Küchentisch, einen Stapel Zeitungen vor sich, und las. Das Zeitunglesen gehörte zu den wenigen Hobbys, die ihm geblieben waren, und er tat es ausgiebig, um nicht zu sagen: exzessiv, wobei er eine, wieer es ausdrückte, »gesunde Mischung« aus Boulevardblättern und Zeitungen gehobenen Anspruchs bevorzugte. Zu seinem achtzigsten Geburtstag hatten ihm seine Söhne einen ungeheuer komfortablen und sicherlich sündhaft teuren Ledersessel mit dazu passendem Fußschemel geschenkt. Er stand drüben im Wohnzimmer und sah überaus dekorativ aus, und wenn die Familie zu Besuch kam, setzte sich Alois Breidstettner sogar hinein.
    In der übrigen Zeit saß er am liebsten in der Küche. Dort hatte er mit seiner Frau die kleinen und großen Probleme des Alltags diskutiert und seine Unterrichtsstunden vorbereitet. Dort hatte er gestritten, gelacht, Bohnen geputzt, seine Magisterarbeit geschrieben, seinen Heiratsantrag gemacht, die Geburt seines ältesten Sohns gefeiert, Aufsätze korrigiert und Mensch-ärgere-dich-nicht gespielt. Natürlich waren es verschiedene Küchen gewesen, die sein Leben begleitet hatten, zunächst die winzige Küche seiner Referendarszeit, dann eine größere für die junge Familie, am längsten die geräumige Küche in seinem alten Haus, so groß wie ein Wohnzimmer, und jetzt, nach dem Tod seiner Frau, eben diese Altbauwohnungsküche mit Blick in den Hinterhof. Aber auch wenn seine Frau diese

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