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Der Beutegaenger

Titel: Der Beutegaenger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Roth
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nicht?
    Er öffnete eine der Schubladen und zog einen abgegriffenen schwarzen Ordner heraus. Der Briefbogen steckte in einer Klarsichthülle, ganz hinten. Requiem für eine Freundin , stand in blassroten Buchstaben über dem ersten Gedicht . Alois Breidstettner las alles sorgfältig durch und nickte. Sein Gedächtnis ließ ihn nie im Stich!
    Mit dem Briefbogen in der Hand schleppte er sich zum Telefon und ließ sich von der Auskunft mit dem zuständigen Polizeipräsidium verbinden.
    In der Küche wurde indessen sein Kaffee kalt.
     
     
     
    Im Frauen-Fitnesscenter Fit for Life durchwühlte Hedi Apsner fieberhaft den kleinen Schrank unter dem Tresen an der Anmeldung.
    »Was zum Teufel suchst du eigentlich?«, erkundigte sich Johanne Hallenberg, die die meisten Frauen, die bei Fit for Life trainierten, nur als »Shanice« kannten, mit leicht gelangweilter Miene. Ihr nächster Kurs begann erst in einer halben Stunde, und sie nutzte die freie Zeit, um sich mit einem doppelten Milchkaffee für den bevorstehenden – und ihrer persönlichen Meinung nach ganz und gar aussichtslosen – Kampf gegen hausfrauliche Fettdepots zu wappnen.
    »Die Kurspläne vom Oktober«, versetzte Hedi Apsner keuchend und schleuderte einen Stapel Papiere auf den Boden.
    Etwas an ihrer Stimme machte Johanne Hallenberg stutzig. »Oktober?«, fragte sie, indem sie träge von ihrem Barhocker rutschte und ihre halb leere Tasse auf der Theke abstellte. »Wozu’n das?«
    »Weil ich wissen muss, wann der neue Spinning-Kurs angefangen hat«, antwortete Hedi Apsner zerstreut und kippte den Inhalt eines monströsen Zettelkastens auf das blanke Linoleum zu ihren Füßen. Aus der Richtung, in der die Duschen lagen, wehte ein Hauch von Zitrusduft an ihre Nase. »Gütiger Gott, ist das ein Saustall! Wer soll sich denn da noch durchfinden? ... Und dabei sage ich ihr jedes Mal, dass sie ... Ha!« Sie stieß einen spitzen Schrei aus und hielt triumphierend ein eselsohriges Blatt in die Höhe. »Dem Himmel sei Dank, hier ist er!« Ihre sorgfältig in Form gezupften Augenbrauen zogen sich zu einer rotbraunen Linie zusammen, während ihr Finger suchend über die Einträge fuhr. »Das gibt es doch garnicht«, murmelte sie leise vor sich hin. »Gottverdammich, das muss etwas bedeuten!«
    Johanne Hallenberg war indessen ein paar Schritte um den Tresen herumgekommen und blickte neugierig auf sie hinunter. »Worum geht’s hier eigentlich?«
    »Hast du den Artikel über die drei Frauen gelesen, die hier in den letzten vier Wochen ermordet worden sind?«, fragte Hedi Apsner anstelle einer Antwort.
    Die Trainerin nickte. »Klar. War ja groß genug aufgemacht.« »Und bei der ersten Frau hat der Mörder eine Chrysantheme zurückgelassen, stimmt’s?«
    »Mhm«, entgegnete Johanne Hallenberg vage. »Kann schon sein.«
    »Von Kann schon sein habe ich gar nichts«, entgegnete Hedi Apsner ärgerlich und erhob sich mühsam aus ihrer gebückten Haltung. »Wo ist die Zeitung von heute?«
    Die Trainerin zuckte die muskulösen Achseln. »Keine Ahnung.«
    »Aber sie lag hier.« Hedi Apsner stöhnte und sah sich um.
    »Vielleicht hat eine von meinen fetten Kühen sie gefressen«, schlug Johanne Hallenberg grinsend vor, indem sie mit dem Kinn Richtung Dusche wies. »Ich sage ja immer, die sind wie die ...«
    »Da ist sie ja!« Hedi Apsner stürmte an ihr vorbei zu einem gemütlichen Korbstuhl in der Ecke und riss mehrere Teile einer zerlesenen Zeitung an sich, während hinter ihr drei Nachzüglerinnen aus Johanne Hallenbergs Kurs aus der Tür zu den Umkleideräumen kamen und fröhlich schwatzend dem Ausgang entgegenstrebten.
    »Ciao, ciao, Shanice«, rief eine kräftig gebaute Mittvierzigerin in einem hellblau gemusterten Sweatshirt. »Hat wieder mächtig Spaß gemacht heute!«
    »Ciao, ciao«, gab Johanne Hallenberg mit mechanischer Munterkeit zurück. »Bis nächste Woche, die Damen! Und keinen Eisbecher, bevor der Bus kommt, Frau Bretz. Sonst sind wir mit Ihrem Blutdruck ganz schnell wieder in der kritischen Zone.«
    Die Angesprochene antwortete mit einem vergnügten Kichern, das befürchten ließ, dass sie nicht vorhatte, dem Rat ihrer Trainerin Folge zu leisten.
    »Ich mein’s ernst«, rief Johanne Hallenberg ihr nach und verdrehte die Augen. »Gott, war das ’n Viechskampf, bis ich die so weit hatte, dass sie mir nicht schon nach ’ner Viertelstunde schlappmacht.« Sie japste und blähte wenig schmeichelhaft die Backen auf. »Hundertfünfundachtzig zu hundertzehn nach fünf

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