Der Bierzauberer
Verbrennungen
helfen. Niklas kannte Hauswurz von seinem Elternhaus in Hahnfurt. Seine Mutter hatte
sie gerne auf der Mauer und dem Dach angepflanzt, weil sie vor Unwetter schützen
sollte. Sie hatte außerdem geglaubt, dass weiße Blüten einen Todesfall in der Familie
ankündigen und lila Blüten Glück bringen.
Niklas
dachte, dass Reginald wohl mit medizinischen Kräutern Rezepturen ausprobiere.
»Das sieht
ihm gar nicht ähnlich, so etwas Gutes bewirken zu wollen.«
Dann sah
er die seltsam geformte Wurzel. Er hatte nur einmal ein Bild einer Alraune gesehen,
seine Mutter hatte diese aber ab und zu erwähnt. Dennoch wusste er sofort, was es
war.
Schon
das Ausgraben war tödlich, man musste die Wurzel an einer Kette von dem daran hängenden
Hund aus dem Boden ziehen lassen. Der Hund ging daran zugrunde, die Wurzel war eine
tödliche Sache. Sie sollte zwar bei Augenkrankheiten, Schlangenbissen, Hautflecken
und Gelenkschmerzen helfen. Durch die Ähnlichkeit mit der menschlichen Gestalt wurde
die Alraune jedoch nur von Magiern ausgegraben und verwendet.
Und das
Beste, was man ihr nachsagen konnte, war, dass kleine Mengen eines Alraunsudes zum
sofortigen Erbrechen führen konnten, größere Mengen aber zum schmerzhaften Tod.
Schon
Hildegard von Bingen hatte geschrieben, der Teufel wohne in der Alraune. Von dem
aromatischen, angenehmen Duft, der ein wenig an die Erdbeeren erinnerte, die er
gelegentlich im Wald gepflückt hatte, sollte man sich nicht täuschen lassen: Wer
mit einer Alraunwurzel arbeitete, konnte nichts Gutes im Schilde führen.
Und die
anderen Kräuter, die neben der Alraune lagen und die Niklas fast alle bekannt waren,
überzeugten ihn endgültig von den gefährlichen Wegen, die Reginald beschritt.
Der giftige
Wacholder ›Juniperus Sabina‹ wurde von den einfachen Leuten Abtreibungskraut oder
Mägdeblume genannt. Er hatte schon viele unschuldige junge Mädchen hingerichtet,
die verzweifelt genug gewesen waren, sich dieses Kraut zu beschaffen.
Weiterhin
lagen dort Tollkirschen, Bilsenkraut und mehrere Fingerhutpflanzen. Allesamt hochgiftig
und sehr gefährlich.
Warum
hatte Reginald die Tür nicht verschlossen, als er wegging? Wahrscheinlich glaubte
er, niemand außer ihm könne erkennen, mit welchen Experimenten er sich beschäftigte.
Außerdem
erlaubte die Klosterordnung nicht, Türen zu verschließen. Ebenso wie Takt und Höflichkeit
geboten, sich nicht in Kammern anderer Brüder umzusehen. Sein Verstoß dagegen war
Niklas aber bereits vorher klar gewesen.
Er wusste
jedoch nicht, ob er sich Notker, David oder anderen Brüdern schon anvertrauen durfte.
Er wollte erst sicher sein, dass Reginald wirklich etwas Böses plante.
So beschloss
er, erst einmal weiter allein zu beobachten.
Er fand
im Fußboden über Reginalds Kammer ein paar Holzplanken, die einen Spalt weit auseinanderstanden.
So konnte er hineinsehen, ohne selbst gesehen zu werden.
Reginald
kam bald zurück von seiner Reise.
Nun verfolgte
Niklas sein Treiben, wann immer er konnte.
Er sah,
wie dieser aus verschiedenen Körben Wurzeln, Kräuter, Früchte und Blüten herausnahm,
mischte und verteilte. Reginald hantierte mit Waagen, stampfte Pulver, kochte Flüssigkeiten
auf und rührte ›Latwerge‹ an, eine Art Salbe, die auf die Haut aufgetragen wurde.
Es brodelte
und dampfte, roch mal aromatisch, mal senfartig, mal scharfbitter, aber immer sehr
eigentümlich.
In dem
Durcheinander aus Körben, Waagen, Schachteln, Mörsern, Stößeln, Kochvorrichtungen
und Pokalen hätte sich Niklas niemals zurechtgefunden.
Dann wurde,
kurz vor Weihnachten 1272, die erste Leiche gefunden.
Es war
einer der durchreisenden ärmeren Händler, die im Kloster ein billiges Bett und Verpflegung
suchten und in der Regel im Haus für die Gefolgschaft auch fanden.
Er lag
im Gang zwischen der Unterkunft für Wärter und Knechte und der Bäckerei, mit grünlich
angelaufenem Gesicht, angeschwärzten Gliedmaßen und in schmerzhaft verkrümmter Lage
inmitten einer Pfütze von Erbrochenem.
Der Bruder
von der Krankenstation stellte eine Vergiftung fest, konnte aber nicht sagen, was
die Vergiftung verursacht hatte.
Auch wenn
Niklas gleich einen Verdacht hatte, beweisen konnte er nichts.
Bei nächster
Gelegenheit, als er ein Gespräch mit Notker hatte, versuchte er, das Thema zwanglos
auf Kräuter und Arzneien zu bringen, jedoch ohne Reginald zu erwähnen.
Die arglosen
und wenig sinnvollen Antworten Notkers überzeugten Niklas, dass er mit ihm
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