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Der Bilderwächter (German Edition)

Der Bilderwächter (German Edition)

Titel: Der Bilderwächter (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Feth
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anlügen mit seinem Schweigen. Ihr nicht vorgaukeln, was er nicht empfand.
    Minuten später war er aus der Wohnung gestürmt und aus dem Haus und durch die leeren Straßen gerannt und das Echo seiner Schritte war von den Hauswänden zurückgeworfen worden.
    » Du widerst mich an«, sagte Marten zu sich selbst, als der Cappuccino vor ihm auf dem Tisch kalt geworden war. Er rührte ihn nicht an, stand auf und verließ die Cafeteria.
    *
    In Rubens Haus hatte die halbe Nacht lang Licht gebrannt. Das hatte Emilia wach gehalten, und jetzt war sie todmüde.
    Der eine Mann war durch einen anderen ersetzt worden.
    Bodo Breitner durch Thorsten Uhland.
    Sie musste sich die Namen notgedrungen merken, wenn sie nicht im Chaos ihrer umherirrenden Gedanken versinken wollte.
    Nichts hatte sich geändert. Nicht ihre Verzweiflung, nicht ihr Hass, höchstens eines: Der neue Mann kam und ging, wie es ihm beliebte.
    Der alte hatte sich an gewisse Regeln gehalten, war morgens zur Arbeit erschienen und hatte am späten Nachmittag oder frühen Abend Feierabend gemacht.
    Nicht so der neue. Er brachte alles durcheinander.
    Sogar die Nächte, in denen die Bilder unberührt bleiben sollten.
    Und Rubens Geist ungestört.
    Emilia hatte zu viel gesehen in ihrem langen Leben, zu viel gehört und zu viel gelesen, um nicht davon überzeugt zu sein, dass es so manches zwischen Himmel und Erde gab, was die begrenzte Weisheit der Menschen nicht erklären konnte.
    Rubens Geist war in seinem Frieden gestört worden, seit Fremde in dem Haus seiner Bilder ein und aus gingen. Emilia hatte das sofort begriffen.
    Manchmal spürte sie Rubens Anwesenheit wie einen kalten Hauch im Raum. Manchmal war es, als striche der zarte Flaum einer Feder über ihre Wange.
    Sie redete nicht darüber. Erst recht nicht mit Hortense.
    Obwohl sie zu gern gewusst hätte, ob ihre Schwester Ruben ebenso spürte.
    Sie hatten ihn beide geliebt, wie sie schon einmal gleichzeitig in ein und denselben Mann verliebt gewesen waren.
    Vor einer Ewigkeit.
    Emilias Unterlippe bebte. Wie locker die Tränen neuerdings bei ihr saßen. Nicht heulen, befahl sie sich. Reiß dich zusammen, altes Haus. Nicht einmal, wenn sie allein war, gab sie sich gern eine Blöße.
    Sie war bei Hortense in eine harte Schule gegangen.
    Bald würde es Mittagessen geben, und sie saß immer noch hier am Fenster.
    Das eine Übel hatte das andere ersetzt. Und es würde schlimmer werden. Die Zeitungen und sogar das Fernsehen hatten bereits von Rubens Nachlass berichtet.
    Wohin sollte das führen?
    Emilia bedeckte ihren schmerzenden Magen mit den Händen.
    » Ruben«, flüsterte sie.
    Doch er antwortete nicht.
    *
    Wieder hockte Emilia am Fenster, und wieder würde Hortense so tun, als hätte sie es nicht bemerkt. Auch Frau Morgenroth würde nichts dazu sagen. Obwohl sie alles sah. Frau Morgenroth hatte die Augen eines Adlers und das Gedächtnis eines Elefanten, und diese Kombination beunruhigte Hortense zutiefst.
    Im Laufe der Jahre hatte sie etliche Bedienstete kommen und gehen sehen. Immer hatte sie klare Grenzen gezogen, und die Angestellten hatten diese Grenzen respektiert. Das hatte sich unmerklich geändert.
    Frau Morgenroth war überall und bekam alles mit.
    Sie wusste zu viel.
    Es lag am Alter, dachte Hortense. Es nahm einem nach und nach Kraft, Selbstsicherheit und Zuversicht.
    Bei immer mehr Handgriffen brauchte man auf einmal Unterstützung. Immer häufiger dürstete es einen nach Bestätigung oder wenigstens einem guten Wort. Plötzlich suchte man Orientierung bei den Jüngeren mit ihrer Klarheit und ihrer Zuversicht.
    Auf die Morgenroths konnten sie sich hundertprozentig verlassen. Was sie in all den Jahren auch getan hatten.
    Und nun waren sie abhängig von ihnen. Das war keine angenehme Erkenntnis.
    Deshalb hütete Hortense alles, was ihr noch allein gehörte, wie ihren Augapfel: Sie ließ niemanden in ihren Kopf schauen und verschloss konsequent ihr Herz.
    Aus diesem Grund erzählte sie auch keinem, was sie so aufschnappte, wenn sie sich in der Nähe von Rubens Haus zu schaffen machte.
    Der Nachlassverwalter hatte die Angewohnheit, auf dem Weg zwischen seinem Wagen und Rubens Haus zu telefonieren, und es schien ihm gleichgültig zu sein, ob man ihn hören konnte oder nicht.
    Hortense hatte auf diese Weise erfahren, dass er jeden einzelnen Fetzen Leinwand unter die Leute bringen wollte. Dass er vorhatte, die Preise für Rubens Bilder in astronomische Höhen zu schrauben. Dass er auf keinen verdammten Cent

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