Der Bilderwächter (German Edition)
verzichten und jedem raten würde, sich ihm nicht in den Weg zu stellen.
Er werde mit jedem verfluchten Galeristen abrechnen, der ihm je das Leben schwergemacht habe, und, wenn es sein müsse, über Leichen gehen. Er lasse sich von niemandem aufhalten, erst recht nicht von den beiden überkandidelten alten Gänsen, die schon Ruben zu Lebzeiten auf den Keks gegangen seien.
Die letzte Bemerkung hatte sich Hortense wie ein Widerhaken ins Fleisch gebohrt, wo sie brannte und stach.
Thorsten Uhland.
Ein unbedeutender Künstler, von dem sie bezeichnenderweise nie zuvor gehört hatte. Der sich nun endlich Erfolg erschleichen wollte, indem er sich Rubens Genie zunutze machte.
Lieber sähe ich Rubens Bilder zerstört, dachte Hortense, als das zuzulassen.
Doch im nächsten Moment erschrak sie und bat Ruben stumm um Vergebung.
Seine Werke waren die letzte Verbindung zu ihm. Niemals würde sie ihnen etwas antun. Nie.
Sie kleidete sich zum Mittagessen um, legte große Sorgfalt auf die Auswahl ihres Schmucks. Ruben hatte elegante Frauen gemocht und sie wollte ihm gefallen. Noch immer.
*
Thorsten Uhland trat in die Kälte hinaus, um einige Telefongespräche zu führen. Im Haus hatte er kein Netz, ein unmöglicher Zustand, den er so bald wie möglich beheben musste.
Die Schwestern Ritter waren nicht die richtigen Ansprechpartnerinnen. Sie wirkten auf ihn wie Bewohnerinnen eines fernen Planeten. Bei ihren seltenen Begegnungen war er ihnen keinen Schritt nähergekommen.
Das war für ihn ungewöhnlich. Man sagte ihm Charisma nach und die Fähigkeit, Menschen für sich einzunehmen. Insbesondere Frauen. Er hätte an jedem Finger ein Dutzend haben können, aber er hatte nicht vor, sein Leben mit irgend jemandem wirklich zu teilen.
Er liebte seine Kunst und seine Unabhängigkeit, schätzte das Spiel mit dem Feuer. Für geordnete Verhältnisse, wie die Leute es nannten, war daneben kein Platz.
Während er telefonierte, dick vermummt mit Jacke und Schal, ging er umher, bis ihn wieder das unbehagliche Gefühl beschlich, beobachtet zu werden. Demonstrativ drehte er sich um und sah zum Haupthaus hinüber.
Keine der Gardinen bewegte sich.
Doch jemand starrte ihn an. Er spürte es.
Hortense? Emilia? Die Haushälterin?
Und wenn schon. Sollten sie ihre Neugier stillen. Gewiss sahen sie nicht jeden Tag einen Mann, der die Kunstgeschichte um ein spannendes Kapitel bereichern würde.
Er grinste in sich hinein, während er seinem Gesprächspartner zuzuhören versuchte, der ihm am Telefon ein lukratives Geschäft vorschlug.
Das taten sie dieser Tage alle. Jeder wollte einen Krümel von dem dicken, saftigen Kuchen abhaben. Jeder. Selbst diejenigen, die ihn vorher mit dem Arsch nicht angeguckt hatten.
Wie Galle stieg die alte Bitterkeit in Thorsten hoch. Er wusste noch genau, wie es sich anfühlte, ein Nichts zu sein, ein Niemand. Wie es war, wenn sich mitten im Gespräch das Gegenüber abwandte, um jemanden zu begrüßen, der ihm wichtiger war.
Nie wieder würde ihm so was passieren, nie wieder, das hatte er sich geschworen. Ab jetzt würde er derjenige sein, der den Ton angab. Er entschied, mit wem er reden wollte und wie lange.
Keiner würde jemals wieder ein Gespräch mit ihm unterbrechen oder beenden.
Starrt mich nur an, ihr alten Hyänen, dachte er, während die Worte aus dem Handy in seinen Gehörgang flossen und ihn einzunehmen versuchten, prägt euch mein Gesicht ein und meine Entschlossenheit. Bald habe ich so viel Geld, dass ich eine Bude wie eure aus der Portokasse bezahle und Leute wie euch in hohem Bogen auf die Straße setze.
» Kommen Sie zum Punkt«, kürzte er den Redefluss seines künftigen Geschäftspartners ab. » Meine Zeit ist kostbar.«
Und der Blick der Augen folgte ihm.
Bert und Rick hatten noch einen Besuch im Tierheim eingeschoben, bevor sie sich auf den Weg zu den Ritters machen wollten, wo sie, mit ein wenig Glück, auch Thorsten Uhland antreffen würden. Der Überraschungseffekt bei unangekündigten Besuchen war nicht zu unterschätzen. Befragungen verliefen komplett anders, wenn der Befragte sich nicht darauf vorbereiten konnte.
Merle war erstaunt gewesen, sie zu sehen, hatte jedoch bereitwillig ihre Fragen zu den Ritters und dem Umfeld der alten Damen beantwortet.
» Die Schwestern sind wunderbare Menschen«, sagte sie. » Man merkt das zuerst nicht, aber wenn man sie besser kennt, lernt man ihre Großzügigkeit und ihr Engagement zu schätzen. Dieses Tierheim gäbe es ohne sie längst nicht
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