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Der Biss der Schlange: Thriller (German Edition)

Der Biss der Schlange: Thriller (German Edition)

Titel: Der Biss der Schlange: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Spurrier
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Vordertür aus den Angeln, und alles ging schief.

Kapitel 22
    Shaper dachte nicht nach.
    Der chaotische Eindruck, den er durch den Briefschlitz erhascht hatte – ein Gewirr flüssiger Rottöne und sich schnell bewegender Körper – schloss seine Muskeln kurz und veranlasste ihn, sich ohne den störenden Einfluss von Gedanken gegen die Tür zu werfen.
    Unter dem zweiten Angriff seiner Schulter gab das Schloss nach, und in dem Schwall von Macht, der folgte, begrüßte ihn ein genauso flüchtiger Eindruck: ein blitzartiger, erstarrter Moment, der nach Taten schrie, bevor eine Analyse stattfinden konnte.
    Er sah einen Raum mit Wänden aus nackten Ziegelsteinen, weitläufig wie eine Lagerhalle, durchwirkt von mit Laken verhüllten Sockeln.
    Er sah einen Körper auf dem Boden, er sah Blut, er sah Bewegung.
    Und er sah eine Gestalt in Schwarz.
    Shaper stürmte darauf zu. Er schrie, während er rannte – ein abgehacktes, wortloses Geheul, das ohne Umweg über seine Lungen oder sein Herz direkt aus seinen Eiern aufstieg –, und er tastete in der Achselhöhle nach dem Springmesser. Die Gestalt wirbelte zu ihm herum, drehte den Kopf und …
    Oh Gott .
    Und das Geheul erstarb in seiner Kehle. Die Kraft verließ seine Beine.
    Die Gestalt schwärte . In Shapers Augen ertrank sie in einer Aura abscheulicher Energie, eine optische Überlagerung, die vor jedem verschwitzten, rasenden Schmerz strotzte, den sein kaputtes kleines Gehirn heraufzubeschwören vermochte. Der Anblick zerrte ihn zurück zu dem Zusammenbruch in seiner Wohnung, zu dem Schnuppern an seiner Tür, zu der schlangenartigenStimme am Telefon – Hhhham  –, und eine Sekunde lang glaubte er, abermals zusammenzubrechen. Übelkeit stieg in ihm auf und drohte, ihn zu überwältigen.
    Sein Messer – mickrig, nutzlos, lächerlich  – fiel klirrend zu Boden, als käme es einer Beleidigung gleich, es auch nur wider den Teufel zu zücken, der ihm gegenüberstand.
    Schwarze Kleidung, eine Kapuze über dem Kopf, breite Schultern, breite Brust – unverkennbar männlich. Das Gesicht pulverisierte Shapers Seele.
    Keine Zeit, es als Maske einzuordnen. Keine Zeit, innezuhalten und das Grauen abzulehnen. Nicht angesichts ermattender Beine, die ihn dennoch weiter darauf zutrugen. Nicht angesichts der schlichten, schaurigen Gewissheit, geschürt von der Dramatik liebenden Übertreibungssucht seiner Krankheit, dass er die Ausgeburt des Bösen vor sich hatte.
    Wie bei einer glasierten Leiche glitzerte jeder grausame Zug der Oberfläche der Maske im Licht des Ateliers in glänzendem Blau, gezeichnet von einer höhnischen Miene. Ein Gewirr darin eingeätzter weißer und goldener Netze hob sich davon ab: Kriegsbemalung auf den Wangen und um die Kieferpartie. Der offene Mund klaffte mit einem Schrei derart animalischer Wut, dass die Zunge in gewelltem, organischem Winkel daraus hervorragte, spitz wie ein blutiger Aal.
    Und dann die Augen.
    Hinter der glänzenden Platte starrten sie hervor wie versteckte Bestien, die ihre Höhlen durchstreifen, weiß, beweglich, feucht. Funkensprühend vor Hass.
    Stolpernd kam Shaper zum Stehen, gelähmt vor schierem Grauen. Ein Zittern stieg von seinen Fußgelenken auf, vervielfachte sich sein Rückgrat entlang, durchlief seinen Mund – offen, wortlos, wertlos  – und richtete die Härchen auf jedem Zoll seiner Haut auf. Das schwarze Feuer seiner Krankheit leckte über die Glieder der Gestalt, ließ ihre Form verschwimmen und fügte ihr seine eigene hinterhältige Energie hinzu, brachte sie zum Tanzen.
    Höllisch .
    Irgendwo – auf einem anderen Planeten, fernab des sengenden Blickes – würgte ein eingerollter Schemen in der Ecke des Raums und brabbelte idiotisches Kauderwelsch.
    Das Opfer , flüsterte eine Stimme der Vernunft. Der Mann auf dem Foto.
    Er lebt noch.
    Das Monster zuckte. Jede seiner Bewegungen fühlte sich wie eine Schändung der Luft an, als weigere sich Shapers bereits von seinen unaufrichtigen Sinnen entwaffnetes Gehirn, zu akzeptieren, dass diese niederträchtige Kreatur ein Bestandteil der Realität war, die sie verhüllte. Die Gestalt kauerte sich langsam in geduckte Haltung – eine sorgsam aufgezogene Feder, bereit zu explodieren –, und hinter dem unlesbaren, unerträglichen Gesicht ertönte ein feuchtes Glucksen.
    Und dann …
    Oh Gott, oh Scheiße, bitte nicht   …
    … nahm die Gestalt in die entgegengesetzte Richtung Reißaus.
    Shaper blinzelte. Was um alles in der Welt  …
    Die Gestalt huschte

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