Der Biss der Schlange: Thriller (German Edition)
seiner Wut und seines Hasses in eine unwahrscheinliche, nervöse Freundlichkeit um. Irgendetwas, davon war er überzeugt, teleportierte die Feuchtigkeit in seinem Mund auf seine Stirn.
Maude erwiderte nichts. Sie rührte sich überhaupt nicht, ließ nur kurz das erste ihrer mehreren Kinne auf und ab wackeln.
In einsamen Wäldern splitternde Bäume.
Zerplatzende Luftpolsterbläschen.
In Tauwetter knackendes Packeis.
Vicar kicherte erneut. Shaper gab die Versuche auf, eine Plauderei in Gang zu bringen, und schob die zittrigen Finger in die Tasche. Sehnsüchtig strich sein Daumen über den Reißverschluss des Pillenordners. Ihn ärgerte, dass Maude das Schmollen übernahm, während er sich um Annäherung bemühte.
Ich bin derjenige, der verletzt worden ist, Miststück!
Ma Coram, erinnerte er sich, hatte einfach diese Wirkung auf Menschen.
… knirsch …
Babyknochen im Maul eines Schakals.
In einem bestimmten Licht erinnerte die massige Matriarchin den Betrachter an extravagantes Sahnegebäck: lieblich anzusehen, viel Zucker, keine harten Kanten. Während Phyllis ihren Platz in der Unterwelt gefunden hatte, indem sie den Machismo rings um sie nachahmte, war ihre Mutter so weit in die entgegengesetzte Richtung gegangen, dass sie zu einer Karikatur ihrer selbst geworden war: eine aufgeputzte, mit Perlen verzierte, rosa Atombombe. Shaper wusste nur allzu gut, dass auch das nur eine Illusion war, ein Archetyp, den sie über Jahre hinweg kultiviert hatte. Sie präsentierte sich als warmherzige, leicht verletzliche Frau, der man nichts übel nehmen konnte, verpackt in eine entwaffnende, seidige Hilflosigkeit und verwirrenden Duft.
… knirsch …
Eine dicke, fette Lüge.
Um es nicht zu vergessen, rief sich Shaper ins Gedächtnis, dass er im Lauf der Jahre unzählige Grausamkeiten gesehen, geplant und begangen hatte, alles auf Befehl dieser puddinggesichtigen Frau. Er hatte mit angesehen, wie sich ihre Feinde von der Fassade dermaßen täuschen ließen, dass sie, wenn das Schwert letztlich herabsauste – wenn der Schleier weggerissen wurde und das Messer zwischen ihre vertrauensseligen Rippen gestoßen wurde –, selbst in ihren letzten, sterbenden Atemzügen die Wahrheit nicht glauben konnten.
»Ist sie nicht bezaubernd …«
Nein, ist sie verdammt noch mal nicht.
Ein weiterer Speckchip verschwand mit planetenerschütterndem Knirschen in ihrem Schlund, getaktet mit einem trägen Blinzeln.
Wenigstens schenkte sie sich an diesem Tag die Mühe, ihre Maske aufzusetzen, ließ das teigige liebe Mütterchen beiseite und hatte stattdessen die knurrende Bulldogge herausgeholt. Eine kleine Gnade – eine schlichtere Art von Bedrohung. Nicht dass sich dadurch etwas daran änderte, wie Shaper sie wahrnahm – als Zerrbild blutrot geäderter und hässlicher Violetttöne, begleitet von misstönendem Geigengedudel. Er musste an sich halten, um den Sauerstoff im Raum mit ihr zu teilen, ohne sich zu übergeben, und sein Daumen strich mit neuer Dringlichkeit über den Reißverschluss des Pillenordners.
Schlampe. Verräterin.
Du fehlst mir.
Da er unter dem laserartigen Starren zunehmend unruhiger wurde, suchte er verzweifelt nach Ablenkung und drehte sich zur Seite, um durch das Fenster hinauszuschauen und Vicars Blick auszuweichen. Wollmütze und Pimmelbirne teilten sich im Nieselregen missmutig eine Zigarette, der eine mit gegipster Hand, der andere mit Verbänden, die sein Gesicht wie ein Kopfkondomverhüllten. Als Shaper eingetroffen war, hatten sie tunlichst den Blickkontakt mit ihm vermieden, und als er sie nun beobachtete, wie sie mit dem Rücken zum Fenster standen, fiel es ihm schwer, nicht zu lächeln.
»Was grinst du so?«, fragte eine knurrige Stimme.
Die Coram-Zwillinge platzten mit wie üblich schlechtem Timing herein und kreuzten den Pfad von Shapers Selbstgefälligkeit. Schuldbewusst ließ er sein Lächeln verschwinden.
Dave pflanzte sich schwungvoll auf einen Lehnsessel, nickte Maude zu und entfesselte eine Lawine von Kissen, die sich über den Boden verteilten. Shaper betrachtete seinen violettbraunen Anzug und beschloss, definitiv keinen der schurkischen Gegner Batmans zu erwähnen. Phyll ließ sich erheblich ruhiger neben ihrer Mutter nieder und winkelte die knochigen Knie und Ellbogen an wie eine Gottesanbeterin. Der Corgi schaute finster drein und furzte.
Als im Raum letztlich das Flair einer gewissen Reife Einzug hielt – wenn alle gemütlich sitzen, können wir ja mit den Drohungen
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