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Der Biss der Schlange: Thriller (German Edition)

Der Biss der Schlange: Thriller (German Edition)

Titel: Der Biss der Schlange: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Spurrier
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Schritt war, schaute im selben Moment auf, als Glass zuckend die Augen aufschlug. Der Mund des Mannes öffnete und schloss sich zweimal, die Zähne klackten hörbar aufeinander, dann kippte er langsam wie ein träger Baum zur Seite.
    Eine Sekunde lang herrschte Stille.
    Dann Chaos.
    Die Zuhörer brandeten vorwärts und streckten die Hände nach dem Greis aus. Einige versuchten zu helfen, die meisten jedoch wollten, wie Shaper bemerkte, nur die Gelegenheit nützen, um ihn zu berühren. Die junge Frau, diese erlesene Lügnerin, diese wunderschöne Hochstaplerin, hob die Stimme und brüllte um Ruhe.
    »Lasst ihm verdammt noch mal Platz!«, schrie sie und zeigte kurz Risse in ihrer Fassade. Die anderen wichen zurück, als hätten sie einen Stromschlag bekommen. Dann schien sie sich daran zu erinnern, wer sie war – oder zumindest, wen sie spielte –, und schaltete das Lächeln wieder ein.
    »Es tut mir sehr leid, aber die Audienz ist zu Ende. Der Lehrmeister muss sich jetzt ausruhen. Würde mir bitte jemand helfen, ihn zu transportieren?«
    Alle Hände im Raum schossen in die Höhe wie ein Wald aus fingerwackelndem Enthusiasmus, der schwankte und in einen Chor erschrockenen Grunzens ausbrach, als sich Shaper mit den Ellbogen den Weg nach vorn bahnte und dabei sein bestes Grinsen grinste.
    Bevor ihn jemand aufhalten konnte, packte er Glass’ Füße.
    »Dann mal los«, sagte er.
    Die Wohnung der jungen Frau, die durch einen Perlenvorhang direkt an die Klinik grenzte, erwies sich als der böse Zwilling des Hauses von Kingsley dem Hengst. Während sein Heim als undurchdringliche Mauer der Ordentlichkeit und Unpersönlichkeit diente, die den stillen Hang zu Esoterik zu verbergen versuchte, zielte dieses überfüllte Schlachtfeld von einem Wohnzimmer auf das Gegenteil ab. Es hieb wiederholt mit einem Schlagring aus New-Age-Unfug, spirituellen Siebdrucken und handgefärbtem Hanf auf den Betrachter ein. Zusammengenommen überlasteten sie das Auge dermaßen, dass die wenigen Ungereimtheiten inmitten der Harmonie beinah unsichtbar wurden.
    Aber so einfach ließ sich Shaper nicht narren. Für jedes türkische blaue Auge am Fenster fielen ihm ein Päckchen Zigaretten und eine Flasche Wodka neben dem Bett auf – in dem Glass mittlerweile schnarchte. Für jedes Wandposter mit Titeln wie »Tarot: große und kleine Arkana« oder »Die Chakren und ihre Rollen« säumte ein kleiner Stapel ernster Taschenbücherwie Catch 22 , Schlachthof 5 oder Scepticism, Inc. den Kaminsims. Für jedes Fach des CD-Regals, in dem sich Wahlgesänge drängten, entdeckte er vereinzelte Scheiben von Soundgarden, Alice in Chains, Bill Hicks …
    In jedem Hippie steckt ein zorniger Grunge-Fan, der nach einem Bier lechzt , dachte er.
    »Wie bitte?«, fragte die junge Frau, die mit ihrem breitesten Lächeln in den Raum zurückkehrte. Shaper wurde bewusst, dass er seine Gedanken laut vor sich hingemurmelt hatte.
    »Nichts.«
    »Tja, die anderen sind gegangen«, verkündete sie, nickte in Richtung der Tür und legte mädchenhaft die Handflächen aneinander. Womit sie ihm ach so höflich zu verstehen gab, er solle sich verpissen.
    »Ich bin übrigens Dan Shaper.« Er streckte die Hand aus und unterließ es geflissentlich, irgendwohin zu gehen. Sie ergriff die Hand mit einem nur winzigen Aufflackern von Ungeduld – lächeln, lächeln  – und mied seinen Blick.
    »Mary Devon. Ist wirklich reizend, Sie kennenzulernen. Ich sehe Ihnen an, dass … Sie ein warmherziger, mitfühlender Mensch sind. Sie haben eine sehr helle Energie. Vielen Dank für die Hilfe. Aber vielleicht wäre es jetzt besser …«
    »Was ist mit ihm?«
    Er konnte beinah sehen, wie ihre geistigen Rädchen ratterten. Das Lächeln geriet dabei kaum ins Stocken.
    »Er … ist nur müde. Regression verlangt ihm viel ab. Sich an alles zu erinnern und so weiter, Sie wissen schon.«
    »Hm«, machte Shaper. »Verstehe.«
    Lächeln, lächeln . Beste Freunde.
    »Aber finden Sie das nicht ein bisschen Scheiße?«, fragte er und drückte in unbeschwertem Tonfall den Abzug. »Einen alten Mann auszubeuten? Ich meine, wie viel haben diese Weihrauchjunkies bezahlt, um herkommen und verzweifelt auf Erlösung hoffen zu dürfen?«
    Marys Gesichtsausdruck fiel völlig in sich zusammen. Shapers Erektion nicht.
    »Sie … es wurde kein Eintrittsgeld verlangt«, rechtfertigte sie sich und stülpte ein verzweifeltes, alles verhüllendes Lächeln über ihre Entrüstung. »A-aber … wenn die Menschen einen

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