Der Biss der Schlange: Thriller (German Edition)
Züge hellten sich erkennend auf. »Wie wunderschön, Sie zu sehen.«
»Sie sollten nicht hier sein, Sir. Das ist … ist …« Er suchte nach den richtigen Worten und verspürte Unbehagen darüber, wie tief seine Besorgnis um den merkwürdigen kleinen Mann reichte, dessen Auftrag er auszuschlagen gedachte. »Es ist nicht gut für Sie. Hier werden Sie nur ausgebeutet, und …«
»Ausgebeutet?« Glass tat die Behauptung mit derselben Geste wie zuvor ab, immer noch mit strahlender Miene. »Unsinn, junger Mann!«
Neben ihnen ließ Mary ihre Maske gerade lange genug fallen, um Shaper einen Blick zuzuwerfen, der besagte: Ha, du Penner!
»Allerdings«, fügte Glass hinzu, »freut es mich aufrichtig, zu sehen, dass Sie so besorgt um mein Wohlergehen sind. Darf ich demnach davon ausgehen, dass Sie hergekommen sind, um den Fall anzunehmen?«
»Was für einen Fall?«, fragte Mary mit finsterer Miene dazwischen.
Shaper ignorierte sie und stützte sich wie zufällig am Tisch ab.
»Es tut mir leid«, sagte er und verspürte einen Stich im Herzen. »Ich kann Ihnen nicht helfen.«
»Aber warum nicht?«
»Weil … Das ist kompliziert.«
Die Drogen, sicher. Die Rückkehr zur Entgiftung. Die einfache, bewältigbare Routine, die er so sehnsüchtig wieder aufgreifen wollte. Nur keinen Staub aufwirbeln, Danny-Boy .
Aber noch mehr als das …
Tommy Boyle .
Ein unerwarteter Name. Eine Verbindung zu den Corams und zu der Vergangenheit, die sie wie eine Krankheit verseuchten. Eine Verbindung zu den sieben Jahren, die er als ihre Waffe gedient hatte. Und zu den fünf Jahren, die er mit dem Versuch zugebracht hatte, diese Vergangenheit zu vergessen.
Ein riesiges, verfluchtes Wespennest.
»Kompliziert«, wiederholte er mit trockenem Mund. »Aber … Ich meine … Also Ihr Kuvert und das alles. Ich glaube immer noch, dass es sich nicht lohnt, deshalb besorgt zu sein. Da albert bloß jemand rum. Wenden Sie sich einfach an die Polizei, ja? Und gehen Sie zu einem Arzt, wenn Sie schon dabei sind. Hören Sie auf, blutigen Laien wie mir zu vertrauen.« Er ließ einen finsteren Blick durch den Raum wandern. »Oder ihr .«
Seufzend lehnte sich Glass zurück, sichtlich enttäuscht. Shaper musste wegschauen, rang hinter dem Rücken mit den Händen und wechselte zu einer steinernen Miene, um sich aus der Sache rauszuwinden.
»Wenden Sie sich an die Bullen«, verlieh er seinem Rat Nachdruck. »Die werden es Ihnen bestätigen. Kein Grund zur Sorge.« Er schob die Hände in die Taschen. »Ich kann mich nicht darauf einlassen.«
Glass überlegte eine Weile mit versponnenem Blick, dannschien er zu einer Entscheidung zu gelangen. Aus seinen Augen sprach tiefe Traurigkeit.
»Mr. Shaper, mein Leben ist ausgesprochen kompliziert. Zumindest war es das. Ihnen muss es in seiner heutigen Form wohl eher einfach vorkommen. Ich beobachte meine Fische, kümmere mich um meine Tochter und meinen Enkelsohn und versuche, mich an Dinge zu erinnern, die ich vergessen habe. Ich denke, einige davon könnten nützlich sein. Wissen Sie, Mary hilft mir dabei.« Er lächelte sie an, dann zog er die Augenbrauen zusammen und wandte den Blick von ihr ab. »Aber bei einigen Dingen … Dingen aus jüngerer Vergangenheit … bin ich etwas vorsichtiger.«
»Ich kann Ihnen nicht folgen.«
Glass seufzte und schaute wieder zu der jungen Frau. »Meine Liebe, würdest du mir zustimmen, dass ich ein … guter Mensch bin?«
Mary zögerte keine Sekunde. Mit voll aufgedrehtem Lächeln und maximaler Feuchtigkeitsstufe für die Augen erwiderte sie wie aus der Pistole geschossen: »Sie haben die reinste Aura, die ich je gesehen habe. Sie sind frei von Sünde.«
Heuchlerin, Heuchlerin, Heuchlerin , dachte Shaper, geiler als je zuvor. Und doch räumte er unwillkürlich ein, wusste er innerlich, dass sie recht hatte, dass Glass ein guter Mensch war, dass er in diesem bekloppten alten Burschen ausnahmsweise mal einen Interessenten für seine Dienste gefunden hatte, der es wert wäre, ihm zu helfen.
Der anhaltende weiße Schimmer, den er wie ein geheimes Signal am Rand seines Sichtbereichs wahrnahm, verschlimmerte seine Schuldgefühle nur zusätzlich.
Das ist bloß die Krankheit. Es ist nur die verfickte Krankheit!
»Ich würde nicht so weit gehen, ›frei von Sünde‹ zu sagen«, meinte Glass und bedachte Mary mit einem nachsichtigen Lächeln. »Nein … meine Sünde ist Feigheit.« Er wandte sich wieder an Shaper. »Deshalb will ich Ihren Schutz, verstehen Sie? Und
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