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Der Biss der Schlange: Thriller (German Edition)

Der Biss der Schlange: Thriller (German Edition)

Titel: Der Biss der Schlange: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Spurrier
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verspürte das unbändige Verlangen, es zu kratzen, obwohl ihm bewusst war, dass er das Risiko einging, Glass’ »Reinheit« als Schwindel zu entblößen, wenn er den Schorf abschälte, um nachzusehen, was darunter kitzelte. Es war ein schier unerträglicher Drang, nach Fehlern zu suchen, um Perfektion zu beweisen, und es hatte ihn schier übermenschlicheÜberwindung gekostet, sich davon abzuwenden. Und so hatte sein verbissenes »Nein« zu einer Abwasserüberschwemmung von Schuldgefühlen und Bedauern geführt, die ihm aus der Klinik gefolgt war.
    Nun, während er sich seinem Heim mit einem schweren Fall von innerer Unruhe näherte und mit den Fingern unablässig über den Reißverschluss des Pillenordners fuhr, erntete er, was er gesät hatte.
    Und obendrein wurde er verfolgt.
    Oder wahrscheinlich eher nicht .
    Schließlich wurde er der Ungewissheit überdrüssig, lenkte jäh nach rechts in die Nebenstraße hinter seiner Wohnung und sprang aus dem Van, noch bevor der Motor zur Ruhe gekommen war. Flugs hinein und hoch zu seinem Treppenabsatz, ohne innezuhalten, um zu verschnaufen oder nachzudenken. Ziggy bedachte ihn mit einem mürrischen Blick, als er in die Wohnung stolperte, und ausnahmsweise wurde Shaper das Vergnügen zuteil, zu viele andere Dinge im Kopf zu haben, um darauf zu achten. Er ging zu dem Haufen mattschwarzer Gerätschaften und transparenter kleiner Linsen neben der Wand – sein Expertenarsenal für professionellen Voyeurismus – und griff sich von oben eine Blisterpackung.
    Damit kletterte er durchs hintere Fenster hinaus. Die bröcklige Trennwand entlang und in die nach Pisse stinkende Gasse dahinter, wobei er Kunststofffetzen auswich, die sich am Drahtzaun verfangen hatten.
    »Nur irgendein Kerl«, murmelte er und schwitzte allzu heftig. »Auf dem Weg nach Hause. Längst weg. Idiot, Idiot, Idiot.«
    Er wusste, dass es manchmal einer Menge echt dämlicher Anstrengungen bedurfte, um eine paranoide Überzeugung zu zersprengen. Aber es war die Mühe immer wert. Ließ man das Unkraut der Irrationalität sprießen, wurde nur der Rest des Gartens erstickt und starb ab. Dabei spielte es keine Rolle, dass der Gegenstand der Paranoia in vernünftigerer Verfassung lachhaftgewirkt hätte – man durfte einfach nicht zulassen, dass sie sich festsetzte.
    Am Ende der Gasse hielt er inne, spähte um die Ecke – ein langer Blick auf seine eigene Tür und seinen Van – und gestattete sich einen flüchtigen Anflug von Erleichterung.
    Das Unkraut: ausgemerzt.
    »Siehst du?«, murmelte er und schwenkte im Geiste lehrmeisterisch einen Finger. »Da ist niem…«
    Der Mercedes parkte drei Meter entfernt, leicht schräg, um Shapers Tür besser im Auge behalten zu können.
    Scheiße .
    Das Zittern strömte in seine Hände wie Frostschutzmittel durch seine Adern.
    Scheiße, Scheiße, Scheiße .
    Er ging wieder in Deckung und ließ eine volle Minute lang geballte Flüche vom Stapel, um den Bammel zu vertreiben. Erst als er sich vollständig davon befreit fühlte, huschte er letztlich über den Asphalt, blieb dabei tief geduckt und verbarg sich hinter geparkten Autos und verbeulten Mopeds. Er erreichte den Mercedes ohne Schwierigkeiten und war einigermaßen sicher, dass er dem Blickfeld der Seitenspiegel ausgewichen war. An der Heckstoßstange hielt er inne und zwang sich, mehrfach durchzuatmen. Behutsam holte er den Gegenstand aus der Tasche, den er aus der Wohnung mitgenommen hatte, fasste vorsichtig unter die Karosserie des Wagens und schob die magnetische Rückseite über die Innenseite des Radkastens. Einen Moment lang verlor er sich im Adrenalinrausch und bildete sich ein, sehen zu können, wie das geheime Signal des Geräts von der Straße abprallte: ein geisterhafter Schleier, der von einer Flotte eisiger, glasiger Satelliten hoch am Himmel aufgesogen wurde.
    Shaper schüttelte den Kopf – verfluchte Entgiftung – und schlich zurück in die Gasse.
    Die Mauer hinauf. Hinein durch das Fenster. Kurze Pause, um einen frischen Apfel für Ziggy zu schneiden – der mit einer trägen Schwanzbewegung ungebrochenes Desinteresse zum Ausdruck brachte. Dann hinaus durch die Tür.
    Shaper strich seine zunehmend zerknitterte Jacke glatt und pfiff unterwegs vor sich hin.
    Er fand, das Einzige, was besser war, als eine paranoide Wahnvorstellung auszutreiben, war die Erkenntnis, dass man gar nicht unter Paranoia litt.
    Draußen musste er unwillkürlich grinsen, und als er den Van erreichte, richtete er sein fröhliches

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