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Der bleiche König: Roman (German Edition)

Der bleiche König: Roman (German Edition)

Titel: Der bleiche König: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Foster Wallace
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regressive Steuer hinaus. Der Service steht dieser Frage indifferent gegenüber. Wie dem auch sei, Einkommenssteuern sind in Anbetracht der demokratischen Ideale unseres Vaterlandes jedenfalls fast immer progressiv. Es gibt allerdings auch Bereiche, in denen üblicherweise Proportional- oder Einheitssteuersätze gelten: Immobilien- und Vermögenssteuer, Zoll, Verbrauchs- und besonders Mehrwertsteuer.
    Wie sich hier noch so mancher erinnern wird, wurde 1977, zu einer Zeit hoher Inflation, hoher Staatsschulden und meiner zweiten Einschreibung an der DePaul, in Illinois ein haushaltstechnisches Experiment angestellt und eine progressive Mehrwertsteuer anstelle einer proportionalen eingeführt. Damals machte ich wahrscheinlich zum ersten Mal die Erfahrung, wie die Einführung einer Steuerrechtsreform das Leben der Menschen faktisch verändern kann. Mehrwertsteuern sind, wie gesagt, normalerweise fast überall Proportionalsteuern. So wie ich es heute verstehe, steckte hinter der versuchten Einführung einer progressiven Mehrwertsteuer der Gedanke, die Steuereinnahmen zu erhöhen, ohne die Armen des Bundesstaats in Bedrängnis zu bringen oder Investoren abzuschrecken, und darüber hinaus bekämpfte man die Inflation, indem man den Verbrauch besteuerte. Man sagte sich, je mehr jemand kaufe, desto mehr Steuern bezahle er, was die Nachfrage senken und die Inflation dämpfen werde. Der geistige Vater der progressiven Mehrwertsteuer war 1977 irgendjemand weit oben im Landesfinanzministerium von Illinois. Wer genau dieser Jemand war und ob er nach dem sich ergebenden Debakel irgendwie in Schwulitäten kam, weiß ich nicht, aber sowohl der Landesfinanzminister als auch der Gouverneur von Illinois mussten wegen des Fiaskos jedenfalls zurücktreten. Egal, wer letztlich die Schuld hatte, steuerpolitisch hatte er einen kapitalen Bock geschossen, der übrigens unschwer zu vermeiden gewesen wäre, wenn sich irgendjemand im Landesfinanzministerium die Mühe gemacht hätte, hinsichtlich der Zweckmäßigkeit dieser Steuerreform mit dem Service Rücksprache zu halten. Obwohl innerhalb der Staatsgrenzen von Illinois sowohl das Büro des Steuerkommissars für die Region Mittlerer Westen als auch ein regionales Prüfzentrum lagen, ist es eine verbürgte Tatsache, dass es keine Rücksprache gab. Obwohl die Landesfinanzbehörden für die Durchsetzung des Landessteuerrechts von den Bundessteuererklärungen und der Stammdokumentation im Computersystem des Service abhängig sind, gibt es in den Landesfinanzdirektionen eine Tradition der Autonomie und des Misstrauens gegenüber Bundesbehörden wie dem IRS , die manchmal in entscheidenden Kommunikationsstörungen kulminiert, und das Mehrwertsteuerdesaster 1977 in Illinois ist im Service ein klassischer Fall davon und Thema unzähliger Witze und Anekdoten geworden. Wie praktisch jeder hier in Abteilung 047 denen hätte sagen können, ist es eine Grundregel jeder effizienten Steuerpolitik, sich präsent zu halten, dass der durchschnittliche Steuerzahler immer aus finanziellem Eigennutz handelt. Das ist ein ökonomisches Grundgesetz. Im Steuerwesen wird der Steuerzahler daher alle legalen Mittel anwenden, um seine Steuern zu senken. Das liegt in der Natur des Menschen, in die sich die Verantwortlichen in Illinois entweder nicht hineindenken konnten, oder aber sie ignorierten deren Implikationen für Geschäftsvorgänge, die von der Mehrwertsteuer betroffen waren. Es wäre denkbar, dass das Landesfinanzministerium die ganze Angelegenheit so komplex und theoretisch werden ließ, dass niemand mehr sah, was klar auf der Hand lag – die Bemessungsgrundlage einer progressiven Steuer, SBG, kann nichts sein, was sich ohne Weiteres unterteilen lässt. Lässt sie sich ohne Weiteres unterteilen, dann wird der durchschnittliche Steuerzahler aus seinem ökonomischen Partikularinteresse alle legalen Mittel anwenden, um die SBG in zwei oder mehr kleinere SBG zu unterteilen, um die effektive Progression zu vermeiden. Und genau das geschah Ende 1977. Das Ergebnis war ein Einzelhandelschaos. Im Supermarkt beispielsweise kauften die Konsumenten jetzt nicht mehr drei große Tüten Lebensmittel für insgesamt 78 Dollar und fanden sich damit ab, für Einkäufe über 5,00, 20,00 und 42,01 Dollar 6 Prozent bzw. 6,8 Prozent und 8,5 Prozent MWSt. zu zahlen, sondern sie waren motiviert, ihre Lebensmitteleinkäufe als zahlreiche separate Kleineinkäufe zu 4,99 Dollar oder weniger zu strukturieren, um den weit attraktiveren

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