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Der bleiche König: Roman (German Edition)

Der bleiche König: Roman (German Edition)

Titel: Der bleiche König: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Foster Wallace
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hätte ich mich unbewusst auf die Seite meines Vaters geschlagen und mich anheischig gemacht, all die fiesen und herablassenden Dinge zu sagen, für die er ein viel zu disziplinierter Herr seiner Gefühle war. Es ist wahrscheinlich sinnlos, darüber auch nur zu spekulieren – oder wie er immer sagte: Die Leute werden tun, was sie tun werden, und einem selbst bleibt nur, das Blatt, das man vom Leben erhalten hat, nach bestem Wissen und Gewissen auszuspielen. Ich könnte nicht einmal mit Gewissheit sagen, ob sie ihm eigentlich fehlte, ob er traurig war. Wenn ich heute an ihn denke, ist mir klar, dass er einsam war, dass es sehr schwer für ihn war, geschieden und allein in dem Haus in Libertyville zu wohnen. In mancher Hinsicht fühlte er sich nach der Scheidung wohl frei, was natürlich auch sein Gutes hatte – er konnte nach Belieben kommen und gehen, und wenn er mir wegen irgendwas die Daumenschrauben anlegte, musste er seine Worte nicht sorgfältig wählen oder mit jemandem streiten, der sich bedingungslos für mich einsetzte. Im psychologischen Kontinuum liegt diese Art der Freiheit aber ganz nah bei der Einsamkeit. Die einzigen Menschen, von denen man wirklich auf diese Weise »frei« ist, sind Fremde, und so gesehen hatte mein Vater auch recht, wenn er sagte, Geld und Kapitalismus wären gleichbedeutend mit Freiheit, denn wenn man etwas kauft oder verkauft, verpflichtet man sich ausschließlich auf das, was im Kaufvertrag festgehalten wird – wobei es dann natürlich noch den Gesellschaftsvertrag gibt, mit dem die Verpflichtung ins Spiel kommt, seinen fairen Steueranteil zu zahlen, und meiner Meinung nach hätte mein Vater der Aussage von Mr Glendenning beigepflichtet: »Wahre Freiheit ist die Freiheit, das Gesetz zu befolgen.« Wahrscheinlich ergibt das alles gar keinen Sinn. Jedenfalls sind das eh nur müßige Spekulationen, weil ich mich mit meinen beiden Eltern nie richtig darüber unterhalten habe, wie sie sich in ihrem Erwachsenenleben eigentlich fühlten. Das war einfach nichts, was Eltern mit ihren Kindern offen diskutierten, wenigstens damals nicht.
    Aber wahrscheinlich wären an dieser Stelle ein paar Hintergrundinfos ganz angebracht. Am einfachsten definiert man eine Steuer mit der Aussage, dass die Steuersumme, symbolisiert als S, gleich dem Produkt von Steuerbemessungsgrundlage ( SBG ) und Steuersatz (SS) ist. Die übliche Gleichung dafür lautet S = SBG · SS, also gilt auch SS = S ÷ SBM , und mit dieser Formel lässt sich festlegen, ob ein Steuersatz progressiv, regressiv oder proportional ist. Das ist das kleine Einmaleins der Steuerbuchhaltung und den meisten IRS -Angestellten so vertraut, dass wir gar keinen Gedanken daran verschwenden. Die kritische Variable ist nun aber das Verhältnis von S zu SBG . Wenn das Verhältnis von S zu SBG gleich bleibt, unabhängig davon, ob SBG , die Steuerbemessungsgrundlage, steigt oder fällt, dann ist die Steuer proportional. Das nennt man auch Einheitssteuersatz. Bei einer progressiven Steuer steigt das Verhältnis S zu SBG , wenn SBG steigt, und fällt, wenn SBG fällt – und so funktioniert im Grunde genommen der heutige Grenzsteuersatz, bei dem man 0 Prozent auf die ersten 2.300 Dollar zahlt, 14 Prozent auf die nächsten 1.100 Dollar, 16 Prozent auf die nächsten 1.000 usw. usf., bis hoch zu 70 Prozent auf alles über 108.300 Dollar, was Bestandteil der gegenwärtigen Politik des US -amerikanischen Finanzministeriums ist, derzufolge mit einem steigenden Jahreseinkommen theoretisch auch der Anteil der Steuerschuld am Einkommen steigen sollte – auch wenn das in der Praxis offensichtlich nicht immer so einfach ist angesichts der diversen Steuerfreibeträge und Kredite, die allesamt Teil des modernen Steuerrechts sind. Wie dem auch sei, progressive Steuersätze lassen sich durch ein schlichtes ansteigendes Säulendiagramm symbolisieren, in dem jede Säule eine gegebene Steuerklasse darstellt. Manchmal wird eine progressive Steuer auch gestaffelte Steuer oder proportionaler Steuertarif genannt, allerdings nicht in der Terminologie vom Service. Bei einer regressiven Steuer dagegen steigt das Verhältnis S zu SBG , wenn SBG sinkt, man zahlt also bei geringen Kaufsummen die höchste Steuer, was in puncto Fairness und Gesellschaftsvertrag eher wenig Sinn hat. Regressive Steuern können aber oft eine versteckte Form annehmen – die Gegner von staatlichen Lotterien und Zigarettensteuern machen beispielsweise oft geltend, derlei laufe auf eine versteckte

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