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Der bleiche König: Roman (German Edition)

Der bleiche König: Roman (German Edition)

Titel: Der bleiche König: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Foster Wallace
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dass er eine von ihnen gehen lassen oder ihr die Trennung hätte erlauben können, obwohl sie alle nur noch immer mehr Pflichterfüllung, Energie und Zeit kosteten und er immer mehr Willensanstrengung brauchte, um angesichts der Verzweiflung auszuharren.
     
    Der mittlere und der obere Rückenteil des Jungen waren die ersten Körperregionen von radikaler und vielleicht sogar unüberwindlicher Unerreichbarkeit für seine Lippen, und die mit ihnen einhergehenden Herausforderungen an Flexibilität und Disziplin beanspruchten den Löwenanteil seines Innenlebens in der vierten und fünften Klasse. Und den Wasserfällen am Ende eines langen Flusses vergleichbar, lagen dahinter die unvorstellbaren Aussichten, seinen Nacken zu erreichen, die acht Zentimeter unmittelbar unter dem Kinn, die Galeae von Scheitel und Hinterkopf, die Stirn und das Jochbein, Ohren, Nase und Augen – sowie dann das paradoxe Ding an sich, seiner Lippen, die zu erreichen an eine Klinge erinnerte, die sich selbst schneiden soll. Diese Körperregionen nahmen eine nahezu mythische Stelle im Gesamtprojekt ein: Der Junge verehrte sie dermaßen, dass er sie fast schon außerhalb der Reichweite seiner bewussten Absichten ansiedelte. Er war von Haus aus kein »Zweifler« (im Gegensatz zu seinem Vater, wie dieser dachte), aber die Unerreichbarkeit dieser letzten Zonen schien so überwältigend, dass sie Schatten über die langsamen Fortschritte vorn beim Schlüsselbein und hinten am Lumbalbogen warf, die sein elftes Lebensjahr ausfüllten, sie verfinsterte das ganze Unternehmen, eine dunkle Verschattung, die dem Unternehmen nach Ansicht des Jungen allerdings eher eine düstere Würde als den Anschein von Vergeblichkeit oder Pathos verlieh.
    Er wusste noch nicht, wie es gehen sollte, aber mit dem Nahen der Pubertät glaubte er fest daran: Sein Kopf würde sein werden. Er würde einen Weg finden, sich seinen ganzen Körper zugänglich zu machen. Innerlich besaß er nichts, was irgendjemand jemals Zweifel hätte nennen können.

§ 37
    »Das scheint definitiv ein nettes Restaurant zu sein.«
    »Sieht ganz nett aus.«
    »Ich selbst war noch nie hier. Aber ein paar Jungs aus der Verwaltung haben nur Gutes drüber gesagt. Ich wollt’s schon lange ausprobieren.«
    »...«
    »Und da wären wir also.«
    (Nimmt Kaugummi aus dem Mund und wickelt es in ein Kleenex aus der Handtasche.) »M-hm.«
    »...«
    »...«
    (Nimmt kleine Korrekturen an der Besteckausrichtung vor.) »...«
    »...«
    »Glauben Sie, Konversation mit einem Menschen, den man schon gut kennt, ist vor allem so viel einfacher als mit jemandem, den man überhaupt nicht kennt, weil zwischen zwei Menschen, die sich gut kennen, schon so viele Informationen und gemeinsame Erfahrungen ausgetauscht worden sind, oder liegt es daran, dass nur bei Menschen, die wir schon gut kennen und von denen wir wissen, dass sie uns gut kennen, nicht dieser blöde geistige Mechanismus abläuft, alles, was wir sagen oder beiläufig zur Sprache bringen wollen, einer befangenen selbstkritischen Analyse und Bewertung zu unterziehen, der dafür sorgt, dass uns alles, was uns auf der Zunge liegen könnte, geistlos, stumpfsinnig und banal oder aber vielleicht zu intim oder Spannungen erzeugend vorkommt?«
    »...«
    »...«
    »Wie heißen Sie noch mal?«
    »Russell. Russell oder manchmal auch ›Russ‹, aber ehrlich gesagt ist mir Russell deutlich lieber. Nichts gegen den Namen Russ; ich bin damit nur nie richtig warm geworden.«
    »Haben Sie Aspirin dabei, Russell?«

§ 39
    Noch im Systems-Komplex von Martinsburg ging GS -9 Claude Sylvanshine im Rahmen der Aprilvorarbeiten für das RPZ Mittlerer Westen auch zweimal in den Direkteingabetank und versuchte sich unter Reynolds’ Audiokontrolle an einer FFA
Anmerkung
bezüglich der hohen Tiere in Dienststelle 047, und die erste dieser FFA -Sitzungen trug Früchte. Sylvanshine bekam interpretable Faktensätze über DeWitt Glendenning jr. s pathologischen Hass auf Moskitos, der auf seine Tidewater-Kindheit zurückging, seinen gescheiterten Anlauf, 1943 ein US Army Ranger zu werden, seine starke Allergie gegen Meeresfrüchte, seinen augenfälligen Glauben, seine Genitalien wären irgendwie deformiert, seinen Krach mit dem gefürchteten Geschäftsbereich Inneninspektion, als er Bezirksrevisionsdirektor in Cabin John, Maryland, war, Bruchstücke der Privat- und/oder Büroadressen seines Psychologen im vorstädtischen Joliet, sein Memorieren der Geburtstage sämtlicher Mitglieder der Familie

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