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Der bleiche König: Roman (German Edition)

Der bleiche König: Roman (German Edition)

Titel: Der bleiche König: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Foster Wallace
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zweiten Gangs lagen der Lagerraum und das Büro des Filialleiters. In den Niederlassungen der größeren Ketten gab es schon Videoüberwachung, aber diese Rastplatztumore waren blind. Erst waren fünf weitere US -Bürger im Laden und dann sechs, als die Frau mit dem Kind ohne das Kind zahlen kam, und während Toni genug Artikel zusammensuchte, um eine Tüte zu füllen, beobachtete sie sie bei der Interaktion oder deren Fehlen und spürte wieder einmal die Bekanntschaft, die sie allen Fremden in von ihr betretenen Räumlichkeiten unterstellte, die Überzeugung, dass sich alle anderen im Raum gut kannten und die Nähe und Gleichheit spürten, die ihnen ein und dieselbe Eigenschaft verschaffte – sie waren nicht sie. Keiner von denen wurde von ihr auch nur im Geringsten beeinflusst. Eine Dose Hundefutter Rocco Classic Rind pur kostete neunundsechzig Cent, was auch bei Berücksichtigung von Großhandelspreisen und Betriebskosten noch auf 20 Prozent reine Absahne rauslief. Die Frau am Tresen, die Anfang dreißig war und ihr Gewicht der Selbstpräsentation einer Mutter vom Lande einverleibt hatte, die rosige Wangen, ein schallendes Lachen und eine weltläufige, fröhliche Sexualität hatte, fragte, ob sie heute getankt habe.
    »Bis zum Rand«, sagte Toni. »Hab noch telefoniert und bin hier rein, um aus dem verdammten Wind rauszukommen.«
    »Peitscht da draußen ja auch immer noch ganz schön drauflos.« Die Tresenfrau lächelte und addierte das Hundefutter, das Toni wegwerfen würde, auf einer Billig-Registrierkasse Marke NCR 1280, die die Tagesbelege auf Rollen speicherte, die in Containern aufbewahrt wurden, für eine Außenrevision herausgenommen und ausgerollt werden mussten und das Büro dann mit vierundzwanzig Meter langen Streifen ausfüllten wie die Wimpel eines Kreuzers unter Segeln.
    »Hätt mich schon bei der Herfahrt fast von der Straße gepustet«, sagte Toni. Die Tresenfrau merkte anscheinend nicht, dass Toni Ware ihren Dialekt und ihre Satzmelodie genau nachahmte. Die Annahme, alle anderen wären wie man selbst. Dass man die Welt ist. Die Seuche des Konsumkapitalismus. Der selbstzufriedene Solipsismus.
    »Haben da ein paar Hunde, die ganz schön was wegfressen.«
    »Möcht ich meinen. So sieht das doch aus.«
    »Das macht dann 11,80.« Das Lächeln, das durch langes Üben so echt wirkt. Als würde Toni auch nur einen Moment lang erinnert, nachdem sie die Tür aufgedrückt hatte und unter der Fahne wie alle anderen fortgewankt war. Und warum das Konventionelle macht dann? Die verkümmerte Kreatur hinter ihr roch nach Haaröl und zerstäubtem Frühstück; als sie eine Banknote herausnahm, stellte sie sich Fleisch- und Eireste in der Gesichtsbehaarung und unter den Fingernägeln vor.
    »Ein großer Zwanni«, sagte die Tresenfrau wie zu sich selbst und tippte mit dem bei einer NCR 1280 erforderlichen leichten zusätzlichen Druck auf die Tasten.
    Kurz darauf war Toni draußen an der Seite des Ladens, dank dem Kluckman-Eisspender vor Blicken vom Parkplatz aus geschützt, die Plastiktüte flappte und peitschte zwischen ihren Schuhen, sie nahm ein Kleenex aus der Handtasche, riss es zweimal durch und wickelte ein Vierteltüchlein straff um den kleinen Finger, dessen Nagel vollkommen, mandelförmig und arterienrot lackiert war. Hoch ins rechte Nasenloch und in einer umfassenden Spiralbewegung gedreht, und das Ergebnis beinhaltete einen standardfarbenen Popel, sowohl schleimig als auch hart und an der rechten Seite sogar mit einem dünnen Kapillarfädchen. Das Einzige, was man ihr in einem Laden oder einer Schlange anmerken mochte, war eine schwache affektive Abwesenheit, eine Distanziertheit, die nicht die Distanziertheit des Friedens oder ein persönliches Verhältnis zu unserem lieben Herrn Jesus bezeugte. Was sie sorgfältig auf den linken Aufschlag ihres cremefarbenen Mantels wischte, mit ausreichend Druck, um es in die Länge zu ziehen, aber nicht so viel, dass es die Haftung beeinträchtigt oder das Nugat im Kern verzerrt hätte. Eine plastifizierte Flächigkeit an ihr erinnerte an aufbereitete Luft, Flugzeugessen, transistorisierte Geräusche. Hier wollte sie sich nur die Zeit vertreiben, bis ihre Bestellung bei Butts Hardware zusammengestellt war. Als sie in den Lagerraum kam, sah sie nur Papierartikel, große Pappkartons und in den Boden-Wand-Kanten Borax gegen Kakerlaken; die kleine Bürotür des Filialleiters mit den schnappbefestigten Pin-ups und einem PEACE WITH HONOR -Poster eines Adlers mit

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