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Der blinde Passagier

Der blinde Passagier

Titel: Der blinde Passagier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Weidenmann
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werden, und dann hatte er jetzt plötzlich die Hoffnung, Geld zu verdienen. Mit diesem Geld will er seiner Mutter den Verlust ersetzen.“
    „Frau Schimmelpfennig sitzt hier neben mir, Mister Miller“, unterbrach Dr. Liesegang und gab den Hörer weiter.
    „Guten Tag, Mister Miller“, sagte Frau Schimmelpfennig, „Sie und Ihr Sohn Jimmy waren so nett zu Peter, wie ich höre.“
    „Ich hoffe, wir lernen uns irgendwann einmal auch persönlich kennen“, antwortete Mister Miller aus seinem Hotelzimmer in Rio. „Und Sie haben wirklich einen ganz prächtigen Jungen.“
    „Das stimmt“, rief die Stimme von Jimmy, „Peter ist prima!“ Anschließend war wieder ein Hustenanfall zu hören.
    „Leider fliegen wir nun heute abend weiter nach Bahia“, sagte Mister Miller noch. Aber er nannte seine Adresse, und Dr. Liesegang bat auch noch um seine Anschrift in Amerika.
    Anschließend beriet die Redaktionskonferenz über die neue Ausgabe. „Wir wissen natürlich doch eine ganze Menge mehr als die Konkurrenz“, stellte Dr. Liesegang fest und nahm wieder seine Zigarre vom Aschenbecher. „Wir bringen alles, was uns die Millers gestern und soeben erzählt haben .“
    „Das, was dieser Jimmy sagte“, schlug der weißhaarige Einstein vor, „vielleicht wörtlich und als telefonisches Interview mit Rio.“
    „Einverstanden“, sagte Dr. Liesegang. „Und dann verspreche ich mir noch etwas vom Anruf dieses Lufthansakapitäns, mit dem unser ,blinder Passagier’ geflogen ist.“ Dr. Liesegang ließ weiße Rauchringe in die Luft steigen. „Na — und schließlich kann ja auch jeden Augenblick das Telefon klingeln, und er ist selber dran oder schickt von irgendwoher ein Telegramm.“
    „Schön wär’s“, sagte Frau Schimmelpfennig nur.
    Fünf Minuten später saß sie im Chefbüro von Dr. Liesegang dem Beamten von Interpol gegenüber. Er interessierte sich für Peter Schimmelpfennigs Körpergröße, Gewicht, Augen- und Haarfarbe.
    „Irgendwelche besonderen Kennzeichen?“ fragte er schließlich.
    „Nicht, daß ich wüßte“, antwortete Frau Schimmelpfennig.
    „Brille, Muttermal oder Narbe von einer Operation?“
    „Auf dem Rücken am linken Schulterblatt ein Leberfleck“, erinnerte sich jetzt Frau Schimmelpfennig, „etwa so groß wie ein Pflaumenkern. Aber was hilft Ihnen das?“
    „Unter Umständen eine ganze Menge.“ Der Beamte machte sich Notizen. „Wenn unsere Detektive Ihren Jungen zum Beispiel in einem Freibad suchen, fixieren sie nur noch Rücken und linke Schulterblätter.“
    „So einfach ist das“, sagte Frau Schimmelpfennig, sah an dem Beamten vorbei und hing ihren Gedanken nach.

    Etwa um die gleiche Zeit schob nebenan bei der Redaktionskonferenz der weißhaarige ältere Herr, der wie Einstein aussah, seinen Sessel zurück und stand auf. „Wenn ich die Sache vom Standpunkt der Zeitung betrachte, ist das Verschwinden unseres ,blinden Passagiers 1 natürlich eine fabelhafte Sache. Das Interesse ist neu angeheizt, und die Leser schwanken wieder zwischen Sorge und Mitleid.“ Der Redakteur mit seinem schlohweißen Haar war inzwischen bis zu Dr. Liesegang hinübergewandert. „Wir hatten auf diesen Gang der Dinge keinen Einfluß und müssen uns also keinen Vorwurf machen. Aber wir hätten uns den Verlauf der Geschichte selber nicht besser ausdenken können.“
    „Als Zeitungsmann kann ich Ihnen da nur beipflichten“, knurrte Dr. Liesegang und biß in seine pechschwarze Zigarre. „Aber als Durchschnittsbürger und Normalverbraucher wünschte ich, der Junge käme lieber heute als morgen gesund zurück.“

Peter Schimmelpfennig schreibt
so etwas wie ein Tagebuch

    Jamaica, 30. Dezember
    Ich werde um sechs Uhr geweckt.
    Das Hotel schläft noch. Nur in der Halle sind die Negerboys schon beim Fensterputzen und Staubsaugen. Die Straßen sind leer. Aber die Sonne steht bereits über den Palmen. Es ist heiß und feucht wie in einem Gewächshaus.
    Wir kommen zum Flugplatz, und ich denke, ich seh’ nicht recht: In unsere Dakota traben Pferde hinein.
    „Es geht mit dem Verladen schneller, als ich mir vorgestellt hatte.“ Captain Nelson lacht. „Ich habe so etwas zum ersten Mal als Fluggäste und dachte, die Tiere schlagen um sich und machen Schwierigkeiten. Aber sie steigen ein wie Passagiere, die im Flugzeug zu Hause sind.“
    Tatsächlich gehen die Pferde ganz artig über die Gangway und ziehen an der Tür ihr Köpfe ein. Schließlich stehen sie nebeneinander im Bauch der Dakota. Etwa zehn Stück. Sie

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