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Der blinde Passagier

Der blinde Passagier

Titel: Der blinde Passagier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Weidenmann
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haben gestern in Trinidad ein Rennen gelaufen und sollen morgen in Jamaica an den Start.
    So erfahre ich, wo der Flug hingeht.
    Bei den Pferden sind junge braunhäutige Burschen. Stroh liegt auf dem Boden, und es riecht im ganzen Flugzeug nach Stall und Landwirtschaft. Ein dünner, langer Engländer ist der Chef des Pferdetransports. Er heißt Mister Picadilly. Beim Start spricht er mit den Tieren wie mit einer Schulklasse, die bei einer Wanderung plötzlich in ein Gewitter kommt. Die Pferde sollen übrigens einem steinreichen Amerikaner gehören. Er hat das Hobby, überall, wo Rennen gelaufen werden, dabeizusein.
    Schon nach zehn Minuten überfliegen wir Tobago und eine Viertelstunde später Barbados. Die Inseln liegen grün und braun im Karibischen Meer. Der Himmel ist ganz blau und ohne Wolken.
    „Martinique“, gibt Captain Nelson bekannt. Er sagt es wie ein Busfahrer, der seine Stationen ausruft. „Dominica“ und dann „Guadeloupe“. Neco hält sich schon wieder an seinem Whiskyglas fest. „Puerto Rico.“
    Captain Nelson macht mit seiner alten Dakota einen Umweg. Der direkte Flug über das Meer wäre kürzer gewesen. „Aber ich bleibe lieber so lange wie möglich über den Karibischen Inseln“, erklärt er uns. „Hier gibt es überall Flugplätze. Wie gesagt, ich habe zum ersten Mal Pferde an Bord. Weiß ich, was denen plötzlich in achttausend Meter Höhe einfällt?“
    Wir überfliegen Kingston, die Hauptstadt von Jamaica, gegen 13 Uhr. Es geht über die ganze Insel. Grün bewachsene Gebirge bis zu den Ufern, die steil ins Meer fallen.
    Bisher habe ich immer geglaubt, Blau ist eben Blau und Grün ist Grün. Das stimmt aber nicht. Das Blau am Himmel und im Meer verändert sich jede halbe Stunde. Und das verschiedene Grün der Urwälder, der Palmen und Zuckerrohrfelder kann ich einfach nicht beschreiben.
    Bei der Landung in Montego Bay dürfen wir wieder einmal die Uhren verstellen. Wir haben eine Stunde gewonnen.
    Die Tropensonne brennt senkrecht vom Himmel. Affenhitze.
    Als das erste Pferd neugierig seinen Kopf aus dem Flugzeug steckt, sitzen wir schon im Taxi. Auch hier Linksverkehr. Es ist gerade Zuckerernte. Schwere Lastwagen, die Zuckerrohr geladen haben, versperren immer wieder die Straße.
    Das half moon liegt auf dem Weg zur Stadt in einer Bucht direkt am Meer. Kein großes Hotelgebäude. Dafür lauter kleine Bungalows, die zwischen Palmen liegen. So hat jeder Gast sozusagen sein eigenes Haus. Nur zum Essen kommt man in einem Restaurant zusammen, das fast in der Mitte der Bungalows und auch dicht am Meer liegt. Unser Bungalow hat die Nummer 59, und jeder hat sein eigenes Zimmer.
    Baden und in der Sonne schmoren. Aber da protestiert der dicke Alain. „Wenn er einen Sonnenbrand kriegt oder nur einen Pickel auf die Nase, können wir einpacken.“ Er regt sich furchtbar auf. „Eigentlich müßte man sein Gesicht in einen Geldschrank legen und nur zum Fotografieren herausholen.“ Zuerst machen wir Aufnahmen in Montego Bay. Die Stadt sieht ein bißchen aus wie die kleinen Städte in den Wildwestfilmen. Allerdings sehr englisch. Die meisten Häuser haben nur ein Stockwerk und sind ganz weiß angestrichen. Der Brunnen mitten auf dem Marktplatz ist abgestellt. Man versilbert gerade die Bronze-Engel neu. Überall hängen Wimpel und Fahnen. Übermorgen erwartet man die englische Königin.
    Auch hier sieht man viele Hautfarben. Tiefschwarze Neger sind am häufigsten. Wenn sie etwas älter sind, lassen sie sich auch hier einen ganz schmalen Bart dicht an der Unterlippe wachsen. Die jüngeren tragen gerne bunte Hüte oder Mützen, weiße Socken und Basketballschuhe. Sie sind stolz, gehen kerzengerade wie in der Turnstunde und lassen aus ihren hinteren Hosentaschen blitzblanke weiße Taschentücher herausgucken. Fast wie Studienrat Semmelroth. Nur daß es der Studienrat vorne an seinem Jackett stecken hat.
    Später fahren wir noch in die Insel hinein. Immer wieder läßt Alain den Wagen halten, drückt mir ein Glas B AB ALU in die Hand und fotografiert. Ich funktioniere jetzt schon wie ein Automat. Sobald man mir die knallrote BABALU-Limonade vor die Nase hält, strahle ich wie ein Pfannkuchen.
    Wir verfahren uns und kommen in ein Sumpfgebiet. Plötzlich nur noch ein ganz schmaler Weg. Links und rechts schwarzes Wasser, Luftwurzeln, Mangroven, Termitennester, Krabben und Austern. Ganze Scharen von Wasserhühnern und weißen Reihern fliegen hoch. Ein Pelikan stürzt beinahe senkrecht vom Himmel und

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