Der blinde Passagier
zwei Siege.
Jetzt fällt Mister Goldwater aus Chicago dem langen Picadilly um den Hals. Alles ist vergessen. Nur die zertrampelte Melone ist nicht mehr zu retten.
Gleich nach dem letzten Rennen geht es zum Flugplatz.
„Kommen Sie mir ja pünktlich“, verabschiedet sich Mister Goldwater vom Flugkapitän. „Das Neujahrsrennen in Acapulco liegt mir ganz besonders am Herzen. ,Hamlet’ hat dort im letzten Jahr drei Rennen gewonnen und ,Othello’ zwei.“ Goldwater gibt jedem die Hand, und mich zwickt er in den Oberarm. „Have a good trip!“ Anschließend verschwindet seine Glatze in einer riesigen schwarzen Limousine, die schnell davonrollt.
Als wir starten, sind die Schatten schon ziemlich lang.
Die Pferde steigen müde ins Flugzeug. Gleichzeitig werden große Käfigkisten mit ein paar hundert Papageien eingeladen. Sie flattern aufgeregt kreischend durcheinander.
„Vielleicht machen sie ein bißchen Krach“, entschuldigt sich Captain Nelson, „aber wenn die Motoren laufen, hört man sie nicht mehr. Papageien aus Jamaica werden in der ganzen Welt verkauft und sind ziemlich teuer. Die hier sollen nach San Francisco, und da liegt Acapulco auf halbem Weg. Ich muß in meiner Kiste eben alles mitnehmen, was Geld bringt.“
Der Flug ist ruhig. Runde drei Stunden über uns nichts als Himmel und unter uns nichts als das Karibische Meer. Manchmal ein Schiff.
„Unsere Pferdchen waren fabelhaft“, schwärmt der lange Mister Picadilly immer wieder. Er ist in bester Laune und trinkt einen Whisky nach dem anderen. „Und in Acapulco gewinnen wir alles, was zu holen ist. Das ist so sicher wie das Amen in der Kirche.“
„Wo liegt eigentlich dieses Acapulco?“ frage ich leise.
„In Mexiko“, grinst Rodrigo Sola, „ziemlich weit unten im Süden. 1 *
Mister Picadilly wird immer lauter und vergnügter. Er fängt an, Witze zu erzählen. Einen nach dem anderen. „... daß Ihr Mund zu klein ist, das macht gar nichts. Sie müssen sich nur daran gewöhnen, mehr mit dem Messer zu essen.“ Der Engländer schüttelt sich vor Lachen.
Die ersten Sterne am Himmel. Auch der Mond ist immer klarer zu sehen.
„Frieda, tragen Sie die Goldfische aus dem Zimmer! Ich will mit meinem Mann allein sein.“ Picadilly bekommt einen Hustenanfall, so lacht er über seine eigenen Witze. Er nimmt wieder einen Schluck und trinkt dem Flugkapitän zu. „Cheers, mein Lieber!“
„Cheers, Mister Picadilly!“ prostet Captain Nelson mit seinem Whiskyglas zurück.
Die Pferde schlafen im Stehen. Nur „Hamlet“ hat sich hingelegt. Die Papageien haben ihre Köpfe eingerollt und dämmern vor sich hin.
Und dann sind wir über Mexiko.
Das Festland ist deutlich zu sehen. Die Nächte in den Tropen sind ziemlich hell. Anflug auf Meridia. Unsere Dakota braucht Benzin. Zollkontrolle. Paßkontrolle. Am Flughafengebäude steht groß: estados unidos mexicanos. Daneben ist der mexikanische Adler zu sehen. Mit seinen Krallen hat er eine Schlange gepackt.
Im Flugzeug, den 31. Dezember/1. Januar
Schon zwanzig Minuten später sind wir wieder in der Luft. Captain Nelson rechnet mit zwei knappen Flugstunden bis Acapulco. Aber es kommt anders.
Mister Picadilly erzählt gerade die Geschichte von einer Schildkröte, die zum Zahnarzt kommt. „Im Wartezimmer sitzt schon ein Zebra, hat die Beine übereinandergeschlagen und liest eine Zeitung...“
„Moment mal“, unterbricht ihn Rodrigo Sola und hält den Kopf schief. „Da ist ein Geräusch, das mir nicht gefällt.“
Beinahe im gleichen Augenblick flucht Captain Nelson im Cockpit.
Aus dem rechten äußeren Motor schlagen immer wieder Funken, die rot aufleuchten und in der Nacht verglühen.
„Er ist sauer“, ruft Neco und zieht den Gashebel für den spuckenden Motor zurück. Dann schiebt er ihn langsam wieder vor.
„Schnallt euch lieber wieder fest!“ brüllt er noch, und da bleibt der Motor plötzlich stehen. Seine Luftschraube wird immer langsamer.
„Mach keinen Quatsch, Baby“, ruft Captain Nelson. Er reißt jetzt die Tankschaltung herum, schaltet die Kraftstoffpumpen aus und ein. Immer wieder. Aus und ein. Aber der Motor bleibt weg.
Ein Zittern geht durch das ganze Flugzeug. Die Dakota dreht und schiebt sich nach rechts und dann nach links.
Mit einem Schlag sind die Papageien wach. Sie flattern in ihren Käfigen durcheinander und kreischen wieder.
„Wir verlieren jetzt natürlich an Höhe und werden langsamer“, erklärt Captain Nelson. „Mehr kann uns im Augenblick aber nicht
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