Der blinde Passagier
verschwindet hinter den Palmen.
Auch hier muß ich B AB ALU trinken und lächeln. Anschließend fahren wir sehr vorsichtig zur Landstraße zurück.
„Ob es hier Schlangen gibt?“ fragt der rothaarige Alain, nachdem er wieder im Wagen sitzt.
„Natürlich“, grinst Rodrigo Sola. „Und es ist noch gar nicht so lange her, da wurden hier noch Menschen abgeschlachtet und am offenen Feuer gegrillt.“
Abends wird es endlich kühler. Wir sitzen im Hotelrestaurant dicht am Meer. Manchmal kommt eine Welle beinahe bis zu unserem Tisch. Die kohlschwarzen Negerboys grinsen immer, wenn man sie anblickt. Riesenhunger. Jetzt erst wird uns klar, daß wir seit dem Frühstück nichts mehr gegessen haben.
Die meisten Hotelgäste sind wieder Amerikaner. Eine Negerband spielt Calypso und Ska. Ein neuer Tanz, der gerade in Mode ist.
Dunkelblau der Himmel. Beinahe violett. Das Meer. Der Mond. Die Lichter der Milchstraße. Ich möchte jetzt irgendwo ganz oben in einer Palme sitzen und nichts tun, als die Füße baumeln lassen.
Aber ich schreibe Ansichtskarten und lange Briefe an Frau Schimmelpfennig und Dr. Liesegang vom abendblatt.
„Von hier bis Hamburg braucht die Post mindestens eine Woche“, bemerkt Rodrigo. „Und man läßt dich bestimmt wieder auftauchen, bevor diese Woche vorbei ist. Wenn du nämlich zu lange verschwunden bleibst, kann es passieren, daß die Zeitungen dich und deine Geschichte schon wieder vergessen haben. Du kannst also schreiben, wozu du lustig bist.“
Im Flugzeug, 31. Dezember
Frühstück vor unserem Bungalow unter einem zitronengelben Sonnenschirm. Viel Obst, vor allem Ananas, Mango und Melonen. „Deine Post ist schon unterwegs“, berichtet Herr Sola, „und ich habe möglichst interessante Briefmarken draufgeklebt.“
Der dicke Alain liegt in seinem Stuhl und starrt aufs Meer hinaus. Er sucht nach neuen Einfällen für seine Fotos. Er brütet vor sich hin wie ein Admiral, der gerade seine Flotte verloren hat. Plötzlich springt er auf. Draußen kreuzen zwei junge Negerburschen mit ihrem Segelboot durch die Gegend. Fünf Minuten später sind wir bei ihnen an Bord.
Starker Wind und Wellen. Das Boot wird ganz schön zum Wasser gedrückt. Das rot-weiß gestreifte Segel ist glatt gespannt wie ein Trommelfell. Immer wieder schwappt mir die rote BABALU-Limonade aus dem Glas. Herr Sola hält den dicken Alain fest, damit er die Hände zum Fotografieren frei hat. Die beiden Neger müssen mit dem Boot wenden und kreuzen, weil die Sonne für die Aufnahmen einmal von rechts kommen soll, ein anderes Mal von links.
Der dicke Alain schwitzt wieder und hat vor Aufregung rote Flecken. „Wie das lebt!“ trompetet er. „Der Wind im Haar und die Wellen, die um ihn herumspritzen! Besser geht es gar nicht!“
Ich lächle und strahle am laufenden Band mein Glas mit der knallroten BABALU-Limonade an.
Drei Stunden später packt der rothaarige Alain seine Fotoapparate wieder in die Metallkoffer. „Jamaica ist für mich erledigt“, gibt er bekannt.
Wir baden und fahren dann zum Pferderennen. Wie regelrechte Touristen. Alain ist ohne seine Fotoapparate wirklich ein ganz anderer Mensch. Er liegt faul im Taxi und stöhnt über die Hitze.
Wir finden den Flugkapitän und seinen Kopiloten Ivan auf der Tribüne. Zusammen mit einem kleinen, dicken Herrn, der auffallend elegant an gezogen ist.
„Mister Goldwater aus Chicago“, stellt Captain Nelson vor.
Wir grüßen höflich und sagen unsere Namen. Aber der Amerikaner hat keinen Blick für uns. Er guckt nur durch ein großes Fernglas zur Rennbahn hinunter. Dort wird gerade der nächste Start eingeläutet.
Der lange Engländer namens Picadilly kommt außer Atem vom Sattelplatz herübergerannt. Wir erfahren, daß Mister Goldwater der steinreiche Amerikaner ist, dem die Pferde gehören. Mister Picadilly ist sein Trainer.
Eigentlich geht alles ziemlich schief. Mister Goldwaters Pferde laufen bei den ersten Rennen als Schlußlichter durchs Ziel.
„Vielleicht sind sie luftkrank“, bemerkt Neco mitfühlend.
„Damned“, zischt Mister Goldwater, reißt sich seine schwarze Melone herunter und zertrampelt sie mit seinen kleinen, blanken Lackstiefeln. Er ist ganz blau im Gesicht und schimpft mit Mister Picadilly, als hätte der ihm gerade seine Brieftasche geklaut. Übrigens ist der Kopf von Mister Goldwater glatt wie eine Billardkugel.
Zwei Minuten später liegt endlich ein Pferd des Amerikaners mit an der Spitze. Und bei den nächsten zwei Rennen gibt es sogar
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