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Der blinde Passagier

Der blinde Passagier

Titel: Der blinde Passagier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Weidenmann
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Goldmedaille geholt.
    „Ich komme leider zu spät“, entschuldigte sich Peter Schimmelpfennig, „aber ich bin am Strand eingeschlafen.“
    „Macht nichts“, versicherte der junge Brasilianer, „macht überhaupt nichts. Aber was sagst du jetzt? Oder wäre dir New York lieber gewesen?“
    „Wenn die Weihnachtsferien vorbei sind, muß ich jedenfalls wieder in Hamburg sein. Das ist Nummer eins“, meinte Peter Schimmelpfennig. „Und ob einem New York oder Tokio besser gefällt, kann man natürlich erst sagen, wenn man beides gesehen hat.“
    „Ausgezeichnet“, lachte der dicke Alain. Er lag in einem Sessel und applaudierte wie im Zirkus. Hinterher trank er ein Glas Ananassaft.
    „Wir fliegen schon heute“, gab Herr Sola bekannt, „kurz vor Mitternacht. In einer Linienmaschine und in der ersten Klasse. Wir fliegen also wie in einem Schlafwagen.“
    „Ich wiederum starte genau eine Viertelstunde früher“, ließ der rothaarige Alain wissen, „zunächst nach Mexico City und von dort wieder direkt nach Rio. Ich bin eigentlich ganz froh, daß ich wieder nach Hause komme.“
    „Und Sie glauben, man wird mit unseren Fotos zufrieden sein?“ fragte Peter Schimmelpfennig.
    Der dicke Alain war überzeugt davon, daß die BABALU-Leute vor Begeisterung auf dem Bauch liegen würden, Senhor Tavares und seine ganze Agentur eingeschlossen.
    „Und sie bekommen diese Fotos genau im gleichen Augenblick, wenn du in Tokio wieder aus der Versenkung auftauchst. Das ist ein Knüller allererster Klasse. Mehr kann man nicht verlangen!“ Sola warf sich der Länge nach auf sein Bett und streckte die Arme aus. „Das japanische Warenhaus bezahlt übrigens eine ganz nette Stange Geld. Und davon bekommst du die Hälfte.“
    „Das wäre schön“, sagte Peter Schimmelpfennig nur.
    „Du bist ein kleiner Rothschild oder Rockefeller, wenn du nach Hamburg zurückkommst“, prophezeite Herr Sola. Er sprang plötzlich wieder auf. „Und jetzt muß ich die Flugscheine besorgen.“
    „Ich hätte gerne wieder ein paar Ansichtskarten verschickt“, sagte Peter Schimmelpfennig bescheiden.
    „Such dir aus, was dir gefällt, und man soll es auf meine Rechnung schreiben.“ Herr Sola hatte bereits den Telefonhörer abgenommen und verlangte das Cook-Reisebüro.
    „Dann gehe ich vorerst wieder an den Strand und bin später auf meinem Zimmer“, sagte Peter Schimmelpfennig und zog sich zurück. Draußen trabte er sofort zum Lift und ließ sich in den sechsten Stock transportieren.
    „Was gibt es Neues?“ fragte das Mädchen mit dem Pferdeschwanz schon, als Peter Schimmelpfennig noch dabei war, die Tür hinter sich zuzumachen. Mister Goldwater stand am Fenster, und Manuelas Mutter saß auf einem breiten dunkelblauen Sofa.
    „Es geht nach Tokio“, sagte Peter Schimmelpfennig und berichtete haargenau, was er gerade gehört hatte. Die anderen hörten aufmerksam zu.
    „Also schon um Mitternacht“, überlegte Goldwater. Er legte seine Hände auf den Rücken und machte ein paar Schritte. „Ich habe eigentlich gehofft, daß wir etwas mehr Zeit hätten.“ Er blieb stehen und blickte um sich wie ein Feldherr vor der Schlacht. „Natürlich könnte ich dir ein Ticket kaufen und dich einfach ins Flugzeug setzen. Dann wärst du morgen zum Mittagessen in Hamburg.“
    „Wir sprachen über diese Möglichkeit“, sagte jetzt die Mutter Manuelas leise. Ein Sonnenstrahl tanzte vor ihr auf dem Tischtuch und einer Karaffe mit rotem Portwein.
    „Aber es wäre nicht in deinem Interesse“, sagte jetzt wieder Mister Goldwater.
    Das Mädchen mit dem Pferdeschwanz übersetzte jedes Wort wie ein Dolmetscher bei einem Staatsbesuch.
    „Du willst eine möglichst aufregende Geschichte für dieses Abendblatt in Hamburg“, fuhr Goldwater fort. „Da ist es natürlich viel spannender, wenn du jetzt plötzlich in Tokio auftauchst. Lind zwar ohne fremde Hilfe. Das ist genau das, was die Zeitungsleser von dir erwarten, und die Redakteure natürlich auch.“
    „Ein Untertertianer, der als blinder Passagier um die ganze Welt gondelt“, sagte das Mädchen mit dem Pferdeschwanz, „das hat es einfach noch nicht gegeben. Das ist eine Superwolke.“
    Mister Goldwater hatte inzwischen den Telefonhörer vom Apparat genommen und sprach mit dem Portier. „Ich glaube, ich habe da eine ganz vorzügliche Idee“, sagte er zwischendurch, und in den Apparat knurrte er ein paarmal: „Das ist ja ganz ausgezeichnet!“ Anschließend ließ er sich mit dem Zimmer 412/413

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