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Der blinde Passagier

Der blinde Passagier

Titel: Der blinde Passagier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Weidenmann
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sich Peter Schimmelpfennig mitten in das Büro stellen und wieder Perücke und Brille aufsetzen. Direktor Suzuki wanderte dann um ihn herum wie um eine kostbare Porzellanvase in einem Museum. „Nicht zu erkennen“, stellte er fest. „Weshalb sind wir nicht auf diese naheliegende Idee gekommen?“
    Herr Watanabe, der Hausdetektiv, blickte plötzlich ein wenig gelangweilt aus dem Fenster. Und die Herren Nagase und Matsumoto taten so, als hätten sie haargenau in diesem Augenblick auf ihren Anzügen kleine Staubflecken entdeckt. Nur Sola blickte zu dem Direktor des Warenhauses hinüber und lachte: „Man erkennt ihn wirklich nicht, das schwöre ich.“
    „Es ist gleich soweit“, bemerkte jetzt Herr Nagase und zeigte zu der elektrischen Uhr hinüber. Sie hing neben der ledergepolsterten Tür, die ins Vorzimmer führte.
    „Ich werde verrückt“, sagte in diesem Augenblick Peter Schimmelpfennig. Diese elektrische Uhr neben der gepolsterten Vorzimmertüre zeigte nämlich nicht nur die Zeit, sondern auch das Datum des jeweiligen Tages. „Heute ist ja schon der neunte Januar.“
    „Ein Donnerstag“, fügte Herr Nagase höflich hinzu.
    „Das bedeutet, daß am Montag die Schule wieder anfängt“, stellte Peter Schimmelpfennig fest.
    Die Herren lächelten, als hätte der Junge aus Hamburg gerade einen sehr guten Witz erzählt.
    In den knappen fünf Minuten, die jetzt noch blieben, fuhr Peter Schimmelpfennig in das neunte Stockwerk, um seinen Papagei zu besuchen. Frau Dr. Yamada kam sofort angesegelt und überschlug sich geradezu. Neco sei einer der schönsten Papageien, die sie je gesehen hätte, ließ sie immer wieder übersetzen. „Und seine Intelligenz hat die höchste Quote, die man bei einem Vogel überhaupt erreichen kann.“ Sie zeigte eine ganze Reihe von elektrischen Apparaten, mit denen sie den Papagei getestet hatte. „Das wissenschaftliche Gutachten ist bereits in Arbeit.“ Inzwischen spazierte das Prachtexemplar mit etwa zwanzig anderen Papageien in seinem riesigen Käfig hin und her. Es schlug mit seinen blauen Flügeln durch die Luft und führte das große Wort.
    Später saß Peter Schimmelpfennig wieder auf dem Podium in der Spielwarenabteilung. Der schwarzhaarige Hiroshi schob ihm wieder eine Postkarte nach der anderen über den Tisch, und die Menschen standen wie tags zuvor in einer langen Schlange bis zur Straße.
    „Arigatoo“, sagte gerade ein Junge mit ganz kurz geschnittenen Haaren.
    „Doozo“, erwiderte Peter Schimmelpfennig. Er lächelte dabei und übergab sein Foto.
    Es war schon spät am Nachmittag, als plötzlich ein Schatten über den Tisch fiel. Gleichzeitig legte eine Hand eine Visitenkarte genau auf das Foto, über das Peter Schimmelpfennig gerade seinen Namen schreiben wollte. „B. Chandler“ stand auf der Visitenkarte.
    „You are Peter Schimmelpfennig?“ fragte eine tiefe Stimme. „Glad to see you.“
    Mister Chandler sah so aus, wie man sich im allgemeinen einen englischen Lord vorstellt. Er war sehr groß, sehr dünn und hatte einen rotblonden Bart unter der Nase. Seine Haut war braun und trocken wie bei Leuten, die viel an der frischen Luft sind.
    Peter Schimmelpfennig kratzte sein bestes Englisch zusammen und versuchte auszudrücken, wie dankbar er dafür wäre, daß Mister Chandler gekommen sei.
    „Du hast ein paarmal bei mir angerufen, und ich war nicht zu Hause“, bedauerte Mister Chandler. „I am sorry. Leider bin ich erst heute mittag zurückgekommen. Aber ich habe bereits mit Honolulu und meinem Freund Goldwater telefoniert. Ich bin also über alles im Bilde. Wo ist dieser Herr Sola, und wo ist der Direktor dieses Warenhauses?“ Mister Chandler machte ganz den Eindruck, als sei er gewohnt, die Dinge gleich bei den Hörnern zu packen.
    „Übrigens läßt dich Mister Goldwater herzlich grüßen. Und ein Mädchen namens Manuela ebenfalls. Verstehst du überhaupt alles, was ich sage?“
    „Mit dem Verstehen klappt es ganz gut“, meinte Peter Schimmelpfennig. „Das Sprechen ist ein bißchen schwieriger.“
    „Never mind“, lachte Mister Chandler. „Wir werden uns schon irgendwie verständigen, und jetzt gleich zur Hauptsache: Wo brennt es, und was kann ich für dich tun?“ Chandler setzte sich dicht neben dem Tisch auf das Podium und schlug seine langen Beine übereinander.
    „Du unterschreibst schön weiter deine Postkarten und erzählst mir dabei, wo dich der Schuh drückt.“
    Es zeigte sich, daß Mister Chandler tatsächlich schon gut Bescheid

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