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Der blinde Passagier

Der blinde Passagier

Titel: Der blinde Passagier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Weidenmann
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knallrote Apparate, die von jedermann benutzt werden konnten. Sie standen so halb auf der Straße wie Feuermelder.
    Leider war Mister Chandler immer noch nicht von seinem Golfturnier aus Osaka zurück. Aber sein Butler erwartete ihn stündlich.
    „Herr Schimmelpfennig ruft später wieder an“, sagte Hiroshi und legte den Hörer auf.
    Jetzt bummelten sie über die Ginza wie zwei Herren, die gerade aus der Provinz eingetrudelt sind. Peter Schimmelpfennig betrachtete sich gelegentlich in einem Schaufenster wie in einem Spiegel, oder Hiroshi mußte ihm bestätigen, daß mit seiner Perücke noch alles in Ordnung war. Als sie an einem Kiosk vorbeikamen, blieben sie eine ganze Weile vor den Zeitungen stehen, die den blinden Passagier zeigten, wie er gerade aus dem Hubschrauber kletterte.
    „Sieht ziemlich übel aus, dieser Knabe“, stellte Peter Schimmelpfennig fest und spazierte weiter.
    Etwa drei Stunden später wußte er, daß man in Tokio bei Erkältungen eine weiße Stoffmaske über Mund und Nase trug, weil man andere Leute nicht anstecken wollte. Wenn rote Papierlampions über einer Tür hingen, handelte es sich um ein Speiselokal, und die Häuser waren nicht durchgehend numeriert. Es konnte passieren, daß die Nummer zweihundertzwölf und die Nummer vierzehn direkt nebeneinander standen. Die Autos fuhren links, Polizisten regelten den Verkehr mit Trillerpfeifen, und die japanischen Herren trugen keine Hüte. Auf den Untergrundbahnhöfen gab es Angestellte, die nichts anderes zu tun hatten, als die vielen Menschen in die überfüllten Wagen hineinzudrücken.
    Natürlich machte sich Peter Schimmelpfennig zwischendurch Notizen und schoß immer wieder neue Bilder. Er knipste selbstverständlich auch seinen neuen Freund Hiroshi, und schließlich ließ er von sich selbst einige Aufnahmen machen, wie er mit Perücke und Hornbrille in Tokio spazierenging.
    Gegen Mittag versuchten sie es wieder einmal mit einem der knallroten Telefone. Aber Mister Chandler trieb sich noch immer auf seinem Golfplatz herum.
    Zum Asakusa-Tempel fuhren sie in einem Omnibus. Als sie ausstiegen, zog Hiroshi seinen Freund blitzschnell zur Seite. Da kam nämlich ein Mann mit einer Glatze geradewegs auf sie zu.
    „Das ist noch einmal gutgegangen“, sagte der Japanerjunge, „glatzköpfige Männer bringen nämlich gewaltiges Unglück, mußt du wissen. Man muß ihnen aus dem Wege gehen.“
    Links und rechts der Straße, die zum Tempel führte, war es weiß von lauter Kirschblüten. Dann ging es auf Kieselsteinwegen an Zedern und Mandarinenbäumen vorbei. Zierliche japanische Brücken führten über kleine Teiche, die von Seerosen beinahe zugedeckt waren.
    Auf dem Platz vor der riesigen Tempelpagode kaufte Hiroshi zwei Räucherkerzen. Man steckte sie in einen gewaltigen Kessel, der mit Sand gefüllt war. Viele Menschen standen dicht beieinander.
    „Jetzt mußt du deine Hände über den Rauch halten“, flüsterte Hiroshi.
    Peter Schimmelpfennig beobachtete, wie die Kinder, Frauen und Männer sich den Rauch ihrer Kerzen ins Gesicht fächelten, auf das Herz zu oder in die Richtung eines Armes.
    „Der Rauch hilft gegen jede Krankheit“, erklärte Hiroshi und ging jetzt mit Peter Schimmelpfennig zu einem Brunnen. Dort mußte man sich die Hände waschen und den Mund spülen. Dann erst durfte man über eine breite Treppe in die Pagode und vor den heiligen Schrein. Dort standen die Menschen dicht nebeneinander oder knieten auf der Erde mit gefalteten Händen. Sie warfen Geld in das Halbdunkel des Schreins und beteten.
    Am Ausgang verkauften Mönche kleine weiße Glücksbriefe.
    „Du kannst dir aussuchen, was du willst“, sagte Hiroshi, „Gesundheit, Geld, Beruf, Liebe. Die Auswahl ist ziemlich groß.“
    Die beiden Jungen zogen sich ihre Glücksbriefe wie Lose.
    „Damit die Wünsche in Erfüllung gehen“, erklärte Hiroshi. „müssen wir sie in den Tempelbaum hängen.“
    Dieser Tempelbaum machte den Eindruck, als sei vor zehn Minuten der Frühling ausgebrochen. Die vielen Glücksbriefe an seinen Zweigen sahen nämlich aus wie lauter weiße Kirschblüten.
    Genau zehn Minuten vor drei Uhr nahm Peter Schimmelpfennig im Büro von Direktor Suzuki zuerst seine schwarze Perücke vom Kopf und dann seine Hornbrille von der Nase. Er sagte guten Tag und verbeugte sich. Gleichzeitig verbeugte sich Hiroshi, der mit ihm gekommen war.
    „Ihr habt Wort gehalten“, stellte der Direktor des Warenhauses fest und guckte auf seine Armbanduhr. Anschließend mußte

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