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Der blinde Passagier

Der blinde Passagier

Titel: Der blinde Passagier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Weidenmann
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er glaubt“, stellte Frau Bergström fest, „in jedem Fall ist es bequemer. Im übrigen lügst du, daß sich die Tragflächen biegen müßten.“
    Peter hatte den Mund voll und konnte im Augenblick nichts erwidern. Er drehte nur den Kopf herum und versuchte, mit seinen aufgerissenen Augen zu zeigen, wie verwundert er war.
    „Dein Magen hat eine ganz normale Größe. Zu klein ist er keinesfalls. Und Hunger hattest du genauso gut wie ich.“ Sie sagte das so, daß sie jede weitere Diskussion über diese Frage wie mit einem Messer abschnitt.
    Trotzdem bemühte sich Peter, so schnell wie möglich zu kauen und zu schlucken. Endlich konnte er etwas sagen: „Aber vorhin, es ist ganz komisch, vorhin, da hätte ich wirklich keinen...”
    „Ja, irgend etwas ist komisch, da bin ich ganz deiner Meinung“, unterbrach ihn die Dänin. Sie sah Peter jetzt mitten in die Augen. „Sie schwimmen bis über die Ohren in irgendeinem Geheimnis, Herr Bergström.“ Sie blickte Peter immer noch an. Aber dann lehnte sie sich wieder in ihren Sessel zurück. „Also, mein Herr, dann sind wir jetzt gewissermaßen eine Familie.“ Sie lachte vergnügt. „Und da gibt es Leute, die behaupten, das Kinderkriegen sei eine schwierige Sache.”
    Eine knappe Stunde später lagen die meisten Passagiere in ihren Sesseln und schliefen. Die große Beleuchtung war ausgeschaltet. Nur wenige Leselampen über den Sitzen brannten noch. Auch Frau Bergström war eingeschlafen, nachdem sie noch eine Wolke Maiglöckchenduft aus ihrer Parfümflasche um sich verbreitet hatte.
    Peter Schimmelpfennig lag mit lang ausgestreckten Beinen in seinem Sitz. Er starrte durch das Fenster, das ganz dicht vor seiner Nase war. Draußen gab es jetzt nur noch Dunkelheit und Schwärze — bis auf die Triebwerke, die von den Lichtern aus dem Cockpit angestrahlt wurden.
    Da wünsche ich mir nun seit Jahr und Tag und immer, wenn ich Frau Schimmelpfennig am Flugplatz besuche, daß ich irgendwann einmal in so einem Flugzeug sitze und durch die Gegend fliege, überlegte Peter, und jetzt ist es soweit, und es bedeutet mir nicht mehr und nicht weniger als eine Fahrt in der Untergrundbahn.
    Peter Schimmelpfennig kreuzte die ausgestreckten Beine.
    Dabei haben in den letzten Stunden die Wunder bei mir Schlange gestanden. Zu diesen Wundern gehört zum Beispiel auch, daß die Luft vor diesem Kunstglasfenster, das höchstens ein paar Millimeter dick ist. zum Atmen für einen Menschen viel zu dünn wäre und daß hinter diesen vier oder fünf Millimetern die Temperatur weit unter dem Gefrierpunkt liegt.
    Inzwischen waren auch die letzten Leselampen ausgeschaltet worden.
    „Herr Schimmelpfennig“, sagte Peter zu sich selbst und holte tief Luft. „es ist endlich an der Zeit, daß wir uns über verschiedene Dinge klarwerden!“ Peter schaute durch das ovale Flugzeugfenster und stellte sich vor, sein Spiegelbild oder sein zweites Ich würde da draußen vor der Scheibe sitzen und mit einiger Spannung zu ihm hereinblicken — wegen der dünnen Luft, die draußen herrschte, vielleicht ein wenig blaß um die Nase und wegen der Kälte mit kleinen Eiszapfen im Haar.
    „Also, Herr Schimmelpfennig, um es rundheraus zu sagen. Sie sitzen ganz schön in der Tinte“, fing Peter mit sich zu reden an. „Sie befinden sich augenblicklich in einem Flugzeug, von dem Sie immer noch nicht wissen, wohin es fliegt. Sie haben keinen Flugschein und können sich ausrechnen, daß Ihr Schwindel ziemlich schnell auffliegen wird, vermutlich schon bei der nächsten Landung.“
    Peter Schimmelpfennig hatte das Gefühl, sein zweites Ich vor dem Fenster sagte „Weiter!“ oder so etwas Ähnliches. Jedenfalls schlug es den Kragen an seinem Jackett hoch und klapperte mit den Zähnen.
    „Und wie sieht es zu Hause aus?“ fuhr Peter fort. „Frau Schimmelpfennig sitzt vermutlich im Wohnzimmer neben dem Weihnachtsbaum mit seinen abgebrannten Kerzen und heult sich die Augen aus dem Kopf. Seit heute morgen ist ihr Geld verschwunden und seit heute nachmittag ihr Sohn. Das ist für einen ersten Weihnachtsfeiertag mehr Unglück, als es die städtischen Wasserwerke, erlauben. Und Onkel Emil in Frankfurt hat auf dem Flugplatz bestimmt Himmel und Hölle in Bewegung gesetzt. Aber erreichen konnte er natürlich gar nichts. Und Herr Sang Ping? Keine Frage, der wirft inzwischen mit dem gestohlenen Geld um sich. Und es gibt keine Möglichkeit, ihn je zu fassen oder etwas von dem Geld wiederzusehen. Das wiederum bedeutet, daß Frau

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