Der blinde Passagier
großkarierten Hemd, „wir fliegen mit den Argentiniern und warten vermutlich, bis wir schwarz werden.“
„Was hier nicht besonders auffallen würde“, grinste Peter.
Jimmy verstand nicht sofort.
„Wie meinst du das?“ fragte er noch. Aber dann lachte er plötzlich los. „Fein. Du mußt mich in Rio bestimmt besuchen.“
In diesem Augenblick kam Kapitän Roland mit seinen
Leuten durch die Glastür. Er sah Peter an und fragte: „Müde um die Ohren, was?“
„Ziemlich müde um die Ohren“, gab Peter Schimmelpfennig zu.
„Dann paß jetzt mal genau auf“, meinte Kapitän Roland leise und schaute sich immer wieder um dabei. Das Ergebnis dieser etwas geheimnisvollen Unterhaltung war dann, daß Peter Schimmelpfennig schon fünf Minuten später zusammen mit Frau Bergström und der Flugzeugbesatzung in einem alten VW-Bus saß, der an allen Ecken und Enden klapperte. Aber er fuhr. Er fuhr sogar ausgezeichnet. Hinter dem Steuer hockte ein bulliger Neger, dem die schwarzen Haare wie Gras aus dem Kopf wuchsen. Er nahm seine Hand kaum von der Hupe und den Fuß keinesfalls vom Gaspedal, auch nicht, wenn es in die Kurve ging. Und die Straße in dem ebenen und ausgetrockneten Gelände hatte viele Kurven.
„Fliegen ist dagegen die ungefährlichste Sache der Welt“, stellte Frau Bergström fest. „Ich nehme an, wir sollen irgendeinen Rekord brechen.“
Kapitän Roland schmunzelte und rief ein paar französische Worte. Vermutlich wollte er den Neger dazu bewegen, ein wenig langsamer zu fahren. Aber der Chauffeur hatte ihn nicht verstanden und drehte sich fragend um. Dabei zitterte der Zeiger des Tachometers immer noch zwischen 110 und 120 Stundenkilometern.
„Wenn es irgendwie möglich ist, sollte er nach vorne schauen“, schlug Frau Bergström vor und machte die Augen zu.
Aber dann quietschten auch schon die Bremsen. Der Wagen machte noch einen letzten verzweifelten Sprung und blieb stehen. Man half sich gegenseitig beim Aussteigen.
„Gnädige Frau, Sie entschuldigen“, sagte Kapitän Roland. „Aber bei uns kommt es jetzt auf jede Minute Schlaf an. Es kann ja schon morgen früh weitergehen. Herr Eckelkamp wird Ihnen behilflich sein.“ Er legte seine Rechte kurz an die Mütze. „Gute Nacht allerseits“, meinte er, und, zu Peter gewandt: „Schlaf gut, mein Junge.“ Dann sprintete er los, seine schwarze Ledertasche in der Hand.
„Nochmals besten Dank“, riefen Frau Bergström und Peter Schimmelpfennig hinter ihm her.
Die übrige Crew hatte es nicht ganz so eilig.
Eckelkamp war der Name des jungen, blitzsauberen Stewards. Und ihm war es eigentlich zu verdanken, daß Frau Bergström und Peter so bevorzugt vom Flugplatz weggekommen waren. Die übrigen Passagiere hatten nämlich zuerst einmal ihre Pässe abgeben müssen. Bestimmt warteten sie jetzt noch, bis sie ihre kurzfristigen Aufenthaltsvisa bekamen. Schließlich würden sie dann alle zusammen mit einem großen Bus ins Hotel transportiert werden.
Weil aber Kapitän Roland seinen flachsblonden Steward darum gebeten hatte, war das Verfahren für die zwei Bergströms vereinfacht und abgekürzt worden. „Der Junge ist ja noch ein Kind“, hatte der Flugzeugkapitän gesagt, und Herr Eckelkamp hatte seine Beziehungen spielen lassen. Er kannte den Flugplatz von Dakar so gut wie seine Hosentaschen, und genausogut kannte er die Beamten, die dazugehörten. Er hatte nur den Paß von Frau Bergström hinterlegt. Der würde zusammen mit dem Visum für „Frau Bergström und Sohn“ dem großen Bus mitgegeben und im Hotel abgeliefert werden.
Das Hotel hieß hotel de n’gor, war ziemlich groß und modern gebaut. Negerboys in blauen und roten Leinenjacketts kamen über die breite Treppe gerannt und kümmerten sich um das Gepäck. Vermutlich war das ganze Haus von der Flugplatzleitung alarmiert und aus dem Schlaf geweckt worden.
Die schwarzen Angestellten an der Rezeption trugen Uniformen aus Khaki.
Frau Bergström bekam das Zimmer 312 und Peter das Zimmer 311. Den Lift bediente ein alter Neger mit weißem Haar. Er sah aus wie Patrick aus „Onkel Toms Hütte“ und hatte eine heisere Baßstimme wie Louis Armstrong.
Die Zimmer lagen im neunten Stock.
„Auch Ihnen noch einmal besten Dank“, sagte Frau Bergström zu dem Steward Eckelkamp, der noch eine Etage höher einquartiert war.
„Bonne nuit“, knarrte die Louis-Armstrong-Stimme, und dann setzte sich der Lift wieder in Bewegung.
Zwei Boys, der eine in Blau, der andere in Rot, trugen das Gepäck von
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