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Der blinde Passagier

Der blinde Passagier

Titel: Der blinde Passagier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Weidenmann
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zwischendurch und sprach ausschließlich Brasileiro, so daß der Junge aus Hamburg kein einziges Wort verstand.
    „Alles in Ordnung“, stellte Herr Sola fest, als er den Hörer wieder aufgelegt hatte. „Einzelheiten erzähle ich dir später, wenn wir Ruhe haben.“
    Der rothaarige Alain wartete schon ungeduldig am Swim-ming-pool. Über seinem nackten Bauch baumelten bereits die schußbereiten Fotoapparate.
    „Alors, on commence!“ sagte er und wollte gleich mit dem Fotografieren anfangen. Aber da protestierte Peter Schimmelpfennig.
    „Erstens habe ich heute nacht nicht geschlafen, und zweitens habe ich Hunger. Ich leg’ mich jetzt also erst mal eine halbe Stunde ins Wasser; dann bin ich für ein gutes Frühstück. Anschließend stehe ich den Herren zur Verfügung.“
    „Und die Fotos?“ knurrte der dicke Alain. „Jetzt ist das Licht viel besser als am Mittag.“
    „Aber vielleicht ist es nachmittags wieder besser als jetzt am Morgen“, gab Peter Schimmelpfennig zu bedenken, klappte seine Sonnenbrille zusammen und sprang in den Swimmingpool.
    Auf die Minute pünktlich stieg er nach einer halben Stunde wieder aus dem Wasser. Rodrigo saß mit dem rothaarigen Fotografen bereits unter einem Sonnenschirm beim Frühstück. Ein indischer Kellner, der eine weiße Leinenuniform und eine phantasievolle Kopfbedeckung trug, fragte nach Peters Wünschen.
    Als er dann mit der Bestellung zur Küche marschierte, glaubte der rothaarige Alain, daß jetzt seine Stunde endgültig gekommen sei. Er hängte sich wieder die Fotoapparate um und zauberte aus einem seiner metallbeschlagenen Koffer eine Limonadenflasche und ein Glas auf den Tisch. Quer über diesem Glas konnte man in blauer Farbe und in der gleichen Schrift wie auf dem Etikett der Limonadenflasche den Namen BABALU lesen.
    „Er ist im Grunde so faul, wie du nur willst“, entschuldigte Rodrigo den unerwarteten Eifer des dicken Franzosen. „Und wenn jemand das Wort Arbeit nur ausspricht, kriegt er schon einen Hautausschlag. Aber wenn er seine Fotoapparate zwischen den Fingern spürt, ist er wie ausgewechselt und elektrisiert. Er ist dann einfach nicht mehr zu bremsen.“
    „Immerhin sind wir nur wegen dieser Fotos hier“, verteidigte sich der Rothaarige. Er hatte offensichtlich im großen und ganzen verstanden, was Herr Sola soeben erklärt hatte.
    „Eh bien, mon petit“, beruhigte ihn Rodrigo und sprach eine ganze Weile französisch mit ihm.
    „Also, er ist der Meinung“, übersetzte Herr Sola schließlich, „man sollte in der Zeit, bis der Ober mit deinem Kakao und den gekochten Eiern zurückkommt, schon die erste Aufnahme machen. Und zwar gleich hier am Tisch. Etwa unter dem Motto: ,Auch zum Frühstück trinkt der blinde Passagier Peter Schimmelpfennig sein Glas BABALU.’ „
    „Das Zeug sieht ja ganz rot aus“, stellte Peter fest und schüttelte sich. Alain war nämlich bereits dabei, ein Glas BABALU-Limonade einzugießen.
    „Für die Schrift auf dem Glas hat man deshalb Blau gewählt“, grinste der junge Brasilianer Rodrigo. „Paß auf, du sollst jetzt so tun, als hättest du gerade einen Schluck getrunken.“
    „Und Gesicht und Augen“, setzte Peter Schimmelpfennig fort, „strahlen, als hätten sie einen Blick ins Paradies getan.“
    „Du hältst das Glas so, daß man deutlich die Schrift sieht“, sagte Rodrigo lachend. Die Sache fing an, ihm Spaß zu machen. „Im übrigen sollst du mitten ins Objektiv hineinlächeln.“
    Alain sah auf die Mattscheibe seines Apparates. Er sprang noch einmal zum Tisch und stellte die Limonadenflasche mit dem BABALU-Etikett mehr in den Vordergrund. Dann hüpfte er wieder zurück. Er bewegte sich plötzlich leichtfüßig wie eine Ballerina.
    „Attention!“ rief er, und gleich darauf machte es klick. Fast gleichzeitig wurde der Film weitertransportiert, und der Verschluß schnappte zum zweiten Mal. So ging es weiter. Zwischendurch gab der rothaarige Alain seine Kommandos, und Rodrigo übersetzte sie.
    „Das Glas etwas höher!“
    „Den Kopf mehr nach links!“
    „Jetzt den Blick auf meine linke Schulter — nein, ein klein wenig tiefer, und jetzt lächeln! Mehr, mehr, noch mehr!“
    Glücklicherweise kam jetzt der indische Kellner mit dem Frühstück angetrabt.
    „Das ist ja anstrengender als fünf Riesenwellen hintereinander“, stöhnte Peter Schimmelpfennig. „Man kann zwanzig Liegestütze machen, das geht noch, aber zwanzigmal lächeln und strahlen, das hält das stärkste Pferd nicht aus.“
    Trotzdem

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