Der blonde Vampir
ist wie ich. Ich frage mich, ob ich mich nicht vielleicht an Ray klammere, weil ich Angst habe.
Angst, allein zu sterben.
Wenige Minuten später erscheint Ray. Er hat sich mittlerweile angezogen. Wir gehen zu meinem Auto. Ray hat es vorher noch nie gesehen und staunt, daß ich einen Ferrari fahre. Nach einer Weile wundert er sich, daß wir einen anderen Weg einschlagen als zuvor. Ich sage ihm, daß ich zwei Häuser besitze.
»Ich bin ziemlich reich«, erkläre ich.
»Ist das einer der Gründe, warum mein Vater dich observiert hat?« will er wissen.
»Ja. Indirekt jedenfalls.«
»Hast du persönlich mit meinem Vater gesprochen?«
»Ja.«
»Wann war das?«
»Vor zweieinhalb Tagen.«
»Wo?«
»In seinem Büro.«
Ray ist sichtlich verärgert. »Davon hast du mir bisher nichts gesagt. Warum hast du mit ihm gesprochen?«
»Er rief mich an und bat mich in sein Büro.«
»Warum?«
Jetzt muß ich auf der Hut sein. »Er wollte mir sagen, daß mich jemand beobachten läßt.«
»Wollte er dich warnen?«
»Ich glaube ja. Aber…«
»Aber was?«
»Er wußte nicht wirklich, wer ihn engagiert hatte, wer dieser Mann war.«
»Aber du weißt es und kennst ihn?«
»Ja. Ich habe ihn vor langer Zeit kennengelernt.«
»Wie ist sein Name?«
»Er ändert ihn oft.«
»Wie du?« Ray seufzt und schüttelt den Kopf.
Der Bursche steckt voller Überraschungen. Ich beuge mich zu ihm und berühre sanft sein Bein. »Du machst dir Sorgen um deinen Vater, das verstehe ich gut. Aber versuch, nicht zu hart über mich zu urteilen.«
»Du bist nicht ehrlich zu mir.«
»Ich sage dir das, was ich dir sagen kann.«
»Mein Vater befindet sich in Gefahr, sagst du. Was genau meinst du damit? Wird dieser Mann meinen Vater töten?«
»Er hat Menschen getötet, ja.«
Der Innenraum des Ferrari scheint plötzlich zu schrumpfen, engt uns bedrohlich ein. Ray ahnt die wahre Bedeutung meiner Worte. »Ist mein Vater schon tot?« fragt er tonlos.
Ich muß lügen, mir bleibt keine andere Wahl. »Ich weiß es nicht.«
Wir halten vor meinem Haus. Während meiner Abwesenheit war niemand hier, das erkenne ich. Ich aktiviere das Sicherheitssystem. Es ist das beste, was auf dem Markt erhältlich ist. Jeder Zentimeter des Zauns um mein Haus steht jetzt unter Strom. Bewegungsmelder, Laserstrahlen und Radar sichern das Grundstück zusätzlich. Ich weiß, daß all dies Yaksha nicht daran hindern wird, zu mir vorzudringen, wenn er es wirklich will. Er ist zweimal so stark und so schnell wie ich – mindestens. Wahrscheinlich hat er viel mehr Macht als ich.
Ray wandert ums Haus und betrachtet es von allen Seiten. Er bleibt stehen und blickt auf den Ozean. Ein abnehmender Mond steht über dem Wasser, das nur als dunkler Schatten erkennbar ist. Wir sehen Richtung Westen, aber hinter uns, im Osten, beginnt die Dämmerung.
»Was nun?« fragt Ray.
»Was schlägst du vor?«
Er sieht mir ins Gesicht. »Du wartest also darauf, daß dieser Mann herkommt.«
»Vielleicht kommt er wirklich.«
»Du hast davon gesprochen, daß du dich bewaffnen müßtest. Hast du Gewehre im Haus?«
»Ja. Aber ich werde dir keins geben. Es würde dir ohnehin nicht helfen.«
»Bist du Expertin, was Waffen angeht?«
»Ja.«
Er ist fassungslos. »Wer zum Teufel bist du, Sita? Falls das dein richtiger Name ist.«
»Es ist mein richtiger Name, und nur wenige Leute kennen ihn. Es ist der Name, den mein Vater mir gegeben hat. Der Mann, von dem ich dich gewarnt habe, ist derjenige, der meinen Vater getötet hat.«
»Warum rufst du nicht die Polizei?«
»Dieser Mann ist sehr mächtig. Seine Macht kennt keine Grenzen. Die Polizei könnte ihn nicht aufhalten, wenn er uns verletzen will.«
»Wenn nicht die Polizei, wie willst du es dann schaffen?«
»Ich weiß nicht, ob ich es schaffen werde.«
»Warum, um Himmels willen, sind wir dann hier? Warum setzen wir uns nicht schnurstracks ins Auto und verschwinden von hier?«
Das ist tatsächlich eine interessante Frage, und sie entbehrt nicht einer gewissen Logik. Ich habe über diese Möglichkeit nachgedacht, seit ich Slim losgeworden bin. Aber ich glaube nicht, daß ich vor Yaksha wirklich davonrennen kann, nicht, wenn er es so offensichtlich auf mich abgesehen hat wie jetzt. Ich mag es nicht, das Unvermeidliche hinauszuschieben.
»Du kannst wegfahren, wenn du willst«, schlage ich Ray vor. »Du kannst mein Auto nehmen und nach Hause fahren. Oder nach Los Angeles. Das scheint mir sogar die beste Möglichkeit zu sein. Jedenfalls bist du hier bei mir in großer Gefahr.«
»Warum hast
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