Der blonde Vampir
Krishna.
Trotzdem trank ich das Blut des Jungen. Ich stürzte beinahe ohnmächtig auf ihn. Und obwohl ich entschlossen war, ihn nicht zu töten, konnte ich nicht wieder aufhören, als ich einmal zu trinken begonnen hatte. Dann war der Junge plötzlich tot. Ich schrie vor Schrecken, als er in meinen Armen seinen letzten Atemzug tat. Aber Yaksha lachte nur. Er sagte, daß es einfacher würde, wenn man erst einmal getötet hätte.
Und ich haßte ihn, weil ich wußte, daß er die Wahrheit sagte.
Von da an tötete ich viele Opfer, und ich genoß es immer mehr.
Die Jahre verflogen. Wir gingen nach Südosten. Wir blieben nie lange an einem Ort. Meist dauerte es nur kurze Zeit, bis die Leute in einem Dorf begriffen, daß wir gefährlich waren. Wir kamen an, fanden Freunde – dann begann das Schlachten. Bald eilten uns die Gerüchte voraus. Wir schufen ein paar mehr Wesen, die uns gleich waren. Der erste Vampir, den ich erschuf, war ein Mädchen in meinem Alter. Sie hatte große dunkle Augen und Haare, die wie ein Wasserfall im mitternächtlichen Mondlicht schimmerten. Ich hoffte, daß ich in ihr vielleicht eine Freundin finden würde, obwohl ich ihr etwas Schreckliches angetan hatte. Yaksha sagte mir, was alles zu der Zeremonie gehörte: Ich mußte die Vene, die zu meinem Herzen führt, herausziehen, sie mit der Vene, die zu ihrem Herzen führte, verbinden. Dann folgte die Blutübertragung, der Schrecken, die Ekstase. Ihr Name war Mataji, und sie hat mir nie gedankt für das, was ich für sie tat, aber sie blieb für viele Jahre an meiner Seite.
Die Zeremonie hatte mich zutiefst erschöpft, und es brauchte viele Tage und viele neue Opfer, um mir meine Stärke zurückzugeben. In dieser Hinsicht ging es uns allen gleich – bis auf Yaksha. Wenn er einen neuen Vampir erschuf, wurde er selbst noch stärker. So und nicht anders war es, weil seine Seele uns alle ernährte. Der gestaltgewordene Yakshini. Der Dämon aus den Tiefen der Hölle.
Aber es war auch etwas wie Güte in ihm, deren Quelle ich jedoch nie herausgefunden habe. Er beschützte alle, die er erschaffen hatte, und zu mir war er besonders freundlich. Zwar sagte er mir nie wieder, daß er mich liebte, aber ich spürte, daß es so war. Er sah mich oft nachdenklich an. Und was sollte ich tun? Schließlich gibt es bei den Verdammten nichts, was einer Ehe ähnelt. Gott würde eine solche Vereinigung nie bezeugen, das hatten uns die Vedas gelehrt.
Nachdem ich etwa fünfzig Jahre als Vampirin gelebt hatte, hörten wir zum erstenmal Geschichten über einen Mann, von dem viele sagten, daß er der fleischgewordene Veda sei. Ein Mann, der mehr war als ein Mensch, vielleicht Gott Vishnu persönlich. In jedem neuen Dorf, das wir plünderten, erfuhren wir Neues. Sein Name war Krishna, und er lebte in den Wäldern von Vrindavana nahe des Yumana-Flusses mit den Kuhhirten und ihren Melkerinnen – den gopis, wie sie damals genannt wurden. Es hieß, daß dieser Mann, dieser Vasudeva – er hatte viele Namen – Dämonen töten konnte und ewigen Segen brachte. Seine besten Freunde waren die fünf Pandava-Brüder, die in dem Ruf standen, die leibhaftige Inkarnation einiger kleinerer Gottheiten zu sein. Arjuna, einer der Brüder, war fast so berühmt wie Krishna. Man sagte ihm nach, der Sohn des großen Gottes Indra zu sein, des Herrn des Paradieses. Nach dem, was wir gehört hatten, zweifelten wir nicht daran, daß Arjuna tatsächlich ein höchst ungewöhnlicher Krieger sein mußte.
Yaksha war fasziniert. Uns restlichen Vampiren ging es nicht anders, aber keiner von uns verspürte den Wunsch, Krishna zu begegnen. Obwohl wir damals fast tausend zählten, fühlten wir uns nicht stark genug. Wir wußten, daß Krishna uns nicht mit offenen Armen empfangen würde, und wenn nur die Hälfte der Geschichten, die über ihn und seine Freunde erzählt wurden, wahr war, konnte er uns alle zerstören. Aber Yaksha konnte den Gedanken nicht ertragen, daß es in diesem Land einen Mann geben sollte, der mächtiger war als er. Denn auch er war nun überall bekannt, allerdings verbreitete die Erwähnung seines Namens nur Angst und Schrecken.
Wir begaben uns nach Vrindavana, alle, die wir da waren, und wir marschierten offen und machten kein Geheimnis aus unserem Ziel. Die Sterblichen, denen wir begegneten, wirkten glücklich, denn sie glaubten, daß diese wandernde Herde von Blutsaugern verdammt sei. Ich sah die Dankbarkeit in ihren Gesichtern und spürte die Furcht in ihren Herzen. Keiner dieser Menschen
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