Der Blutfluch: Roman (German Edition)
beschied er sie schließlich. »Du kannst Gottes Ordnung nicht einfach umstoßen.«
»Das sagt sich leicht, wenn man zu denen gehört, die über andere herrschen.«
»Was erwartest du? Dass ich mich gegen die Gesetze unseres Standes stelle und mich, meine Familie und meine Freunde ins Unglück stürze? Es würde weder die Toten zum Leben erwecken noch deine Lage bessern.«
Aliza sah Rupert einen Moment lang in die Augen, bis sie den Kopf schüttelte.
»Ich erwarte gar nichts«, sagte sie.
»Dann sind wir uns wenigstens darin einig. Im Übrigen: Du musst nichts tun, was du nicht schon auf Jahrmärkten oder Festwiesen oft genug getan hast: tanzen. Und sicher wird der Kaiser zu deinen Bewunderern gehören. Willst du ihn dann abweisen? Er ist jung und stark, er wird dir gefallen.«
Aliza schlug die Hände vors Gesicht und drehte ihm mit einem unterdrückten Laut des Abscheus den Rücken zu. Ehe Rupert entscheiden konnte, wie er darauf reagieren sollte, trat ein Besucher ins Zelt.
»Benno!«
Der älteste Sohn des Burgvogts von Urach gestattete sich einen erleichterten Ausruf.
»Dem Himmel sei Dank. Ich fürchtete schon, ich müsse Euch im Trubel des Festes suchen, Herr!«
Benno musste scharf geritten sein.
»Du bringst schlechte Nachrichten von zu Hause?«
»Ich fürchte, ja.«
»Dann lass uns unter vier Augen sprechen.«
Rupert sah zu Aliza. Obwohl er den Neuigkeiten mit Unbehagen entgegensah, war er froh, dass ihr Gespräch ein Ende fand.
»Ich bleibe in Sichtweite«, warnte er sie und schob Benno vor sich her nach draußen.
Königin Beatrix
Kreuzhof bei Regensburg, 10. September 1156
V ielfarbig und vielgestaltig hatten sich die Großen des Reiches zusammen mit Gästen, Gesandten und Kirchenfürsten eingefunden, um dem Kaiser ihre Ehrerbietung zu bezeugen. Nach der Zeremonie auf den Barbinger Wiesen, die dazu gedient hatte, Jasomirgott zu schmeicheln, stellte Friedrich hier seine Macht zur Schau. Beatrix bewunderte, dass er es glanzvoll tat und mit ausgesuchter Finesse.
Das Podest alleine war bereits eine Demonstration. Vier Stufen hoch, von einem Sonnendach überwölbt, von Fahnen umweht und mit Stoffen, Teppichen und Girlanden geschmückt, gab es auch dem Edelmann in der letzten Reihe freien Blick auf das Herrscherpaar. Beatrix, die sich sonst oft auf Zehenspitzen stellen musste, genoss den Überblick, der sich ihr bot.
Ihr Thronsessel, kleiner und niedriger als der des Kaisers, war auf das angenehmste gepolstert. Die Füße ruhten auf einem Schemel, den ihre Röcke verbargen. Friedrich überragte sie um gut einen Kopf. Gekrönt, den Purpurumhang über den Schultern, war er ganz der Kaiser.
Clementia und Theodora standen mit ihren Männern in nächster Nähe von Friedrich und Beatrix. Die Erhöhung zwang sie dazu, nach oben zu sehen, wenn Friedrich das Wort an sie richtete oder wenn sie ihm in endloser Folge ihre Vasallen vorstellten. Beatrix hatte Mühe, ihr Vergnügen an dieser geschickten Inszenierung nicht zu zeigen.
Es tat ihr gut, die Herzoginnen auf Abstand zu sehen. Jasomirgott war mit fast fünfzig Jahren ein alter Mann. Er sonnte sich in seinem vermeintlichen Triumph, zu dessen Vollständigkeit ihm nur noch der Erbe fehlte. Wie Clementia und sie, war auch Theodora bei ihrer Eheschließung kaum zwölf Jahre gewesen. In den acht Jahren mit Jasomirgott hatte sie jedoch bisher kein einziges Kind empfangen.
Heilige Mutter Gottes hilf, dass Friedrich nicht ebenfalls in acht Jahren noch vergeblich auf einen Sohn hofft,
schoss es Beatrix in jäher Sorge durch den Kopf, ehe sie den Herzog von Sachsen und Bayern in näheren Augenschein nahm.
Um einige Jahre jünger als der Kaiser, war er ein schwarzhaariger, schwarzbärtiger und schwarzäugiger Recke. Seine Körperkraft manifestierte sich in Höhe und Breite. Sein Ehrgeiz und sein Machthunger standen seiner physischen Stärke um nichts nach.
Als Heinrich von Sachsen und Bayern hatte er ein Ziel erreicht. Er würde sich sicher dem nächsten zuwenden. Wonach gelüstete einen Fürsten, der bereits der Zweitmächtigste im Reich war? Nach einer Krone? Wollte er Friedrich den Thron streitig machen? Dafür musste er sich Verbündete suchen. Wo fand er sie? In der eigenen Familie?
Beatrix’ Aufmerksamkeit richtete sich auf Clementia. Sie stand in gebührendem Abstand, hoheitsvoll und gelassen neben ihrem Mann. In zu großem Abstand, befand Beatrix. Sie musste sie im Auge behalten. So wie bereits seit geraumer Zeit Berthold.
Clementias Mitgift hatte
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