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Der Bordeaux-Betrug - Der Bordeaux-Betrug - The Bordeaux Betrayal

Der Bordeaux-Betrug - Der Bordeaux-Betrug - The Bordeaux Betrayal

Titel: Der Bordeaux-Betrug - Der Bordeaux-Betrug - The Bordeaux Betrayal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellen Crosby
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restlichen Nachmittag freinehmen.
    »Wo ist Quinn?«, fragte sie. »Er hat sich hier den ganzen Tag nicht blicken lassen.«
    »Er hatte Fieber, deshalb ist er zu Hause geblieben.«
    Sie runzelte die Stirn. »Und hat sich nicht an der Weinlese beteiligt? Was hat er denn? Die Beulenpest?«
    »Ich weiß es nicht. Jetzt sollte ich mich aber lieber aufmachen. Das Flugzeug meines Großvaters landet um halb fünf auf dem Dulles Airport, und Sie wissen ja, was für ein Verkehrschaos da herrscht.«
    Sie nickte. »Ihre Nase wächst, Pinocchio. Tschüss, bis morgen!«
    Ich hatte immer noch einen hochroten Kopf. Vermutlich würde sie auf dem Weg nach Hause bei Quinn vorbeischauen, um zu sehen, ob er von seiner mysteriösen Krankheit geheilt war, und dann würde sie es erfahren. Mir war nicht klar, weshalb ich ihr diese Lüge aufgetischt und nicht gleich die Wahrheit gesagt hatte – vielleicht wusste ich es aber doch.
    Es war kurz nach drei. Schlief Quinn seinen Rausch immer noch aus, oder konnte man ihn für den Rest des Tages abschreiben? Auf der Fahrt zum Flughafen machte ich einen Umweg zu seinem Haus.
    Den El Camino hatte er seltsam quer vor seiner Veranda abgestellt. Die Jalousien der vorderen Fenster waren herabgelassen. Wahrscheinlich schlief er noch. Manolo hatte mir vorhin versprochen, abends zusammen mit einigen Männern den Tresterhut unterzustoßen, daher spielte es keine Rolle, ob Quinn heute noch im Weinkeller erschien oder nicht.
    Das Unterstoßen des Tresterhuts war eine Routinearbeit, die so lange dauerte, wie der Wein noch gärte, und sie zählte nicht gerade zu den beliebtesten Aufgaben. Der Tresterhut war eine fünfundzwanzig bis dreißig Zentimeter dicke Schicht von Traubenschalen und Fruchtmark, die in den Gärfässern nach oben trieb und zu einer nassen, festen violetten Masse gerann. Er war das Ergebnis des chemischen Prozesses, zu dem es kam, wenn die Hefe, die dem Traubensaft hinzugefügt wurde, den Fruchtzucker in Alkohol verwandelte – und so brodelte alles wie in dem Hexengebräu in Macbeth .
    Zwei Mal täglich mussten wir die matschige Masse auflockern und unterrühren, um dem Wein seine Gerbsäure, den Geschmack und die Farbe zu verleihen. Die größeren Weingüter betrieben dies mechanisch, doch wir bedienten uns immer noch der altmodischen Methode, indem wir Rührstangen sowie Elis alten Baseballschläger benutzten – und unsere Hände. Jedes Fass enthielt eine Tonne Wein, daher war es eine körperlich anstrengende Arbeit, die von einem verlangte, sich bis zur Achselhöhle in den Wein hineinzuwühlen und den festen purpurroten Block auseinanderzubrechen, der nicht nachgeben wollte. Meine Schultern fühlten sich danach an, als hätte ich sie mir ausgerenkt, und meine Fingernägel blieben wochenlang schmutzig. Heute war ich um diesen Job herumgekommen, da ich zum Flughafen musste, doch ich würde früh genug wieder an der Reihe sein.
    Pépés Flugzeug aus Paris war pünktlich. Ich wartete im abgesperrten Bereich des internationalen Ankunftsterminals und beobachtete die Anzeigetafel, auf der mitgeteilt wurde, welches Flugzeug gelandet war. Schließlich trat mein Großvater aus der sich automatisch öffnenden Doppeltür, schob einen Gepäckwagen vor sich her, starrte geradeaus und hatte einen leicht verwirrten Ausdruck im Gesicht, als habe eine spleenige Eigenart unseres Landes bereits seine Fantasie gekitzelt, kaum dass er einen Fuß auf amerikanischen Boden gesetzt hatte.
    Ich rief ihn und winkte ihm hinter der niedrigen Metallabsperrung zu. Sein schön geschnittenes Gesicht hellte sich auf, und er winkte zurück. Als wir einander erreichten, küsste er mich drei Mal und murmelte meinen Namen. Ich schloss ihn in die Arme und roch seine Boyards sowie einen Hauch seines vertrauten, altmodischen Eau de Cologne. Doch was mir am Stärksten in die Nase stieg, waren die im Gedächtnis verhafteten Gerüche jener Dinge, die ich an Paris liebte – und vermisste. Vor Jahren hatte mir meine Mutter gesagt, ich sei die Namenscousine meines Großvaters – sein Vorname war Luc –, und in der Familie war es ein offenes Geheimnis, dass ich seine Lieblingsenkelin war.
    Er ließ nicht zu, dass ich seinen Gepäckwagen schob, und ich bemühte mich erst gar nicht, deswegen zu diskutieren. Mein Großvater stammte aus einer Generation, in der Ritterlichkeit und Galanterie so selbstverständlich waren wie das Atmen. Zum Glück hatte ich in der Nähe des Terminals parken können, daher brauchten wir nicht weit zu

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