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Der Bourne Betrug

Der Bourne Betrug

Titel: Der Bourne Betrug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Ludlum
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vor der mattweiß lackierten Wohnungstür, blieb sie mit einer Hand auf dem massiven Türblatt erneut kurz stehen. Sie hatte das Gefühl, subtile Schwingungen spüren zu können, als sei das Apartment nach langem Leerstand von summendem neuem Leben erfüllt. Der Körper ihres Geliebten, warm und elektrisierend, bewohnte die Räume hinter der Tür, überflutete sie mit Energie und sanfter Wärme wie von Sonnenlicht, das durch Glas fiel.
    In Gedanken durchlitt Anne noch einmal ihren letzten Abschied. Die Erinnerung brachte denselben Schmerz mit sich, der zwischen ihren Rippen wie ein tiefer Atemzug in einer Frostnacht brannte und ihrem Herzen eine weitere Wunde zufügte.
    Und trotzdem war der Schmerz dieses Mal anders gewesen, weil sie gewusst hatte, dass sie ihren Geliebten mindestens neun Monate lang nicht wiedersehen würde. Tatsächlich waren bis zum heutigen Tag sogar knapp elf Monate vergangen. Aber es ging nicht nur um lange Einsamkeit – schlimm genug –, sondern auch um Veränderungen, von denen sie wusste, dass sie eingetreten sein würden.
    Natürlich hatte sie diese Angst in den hintersten Winkel ihres Verstandes verbannt, aber jetzt, vor der Wohnungstür stehend, begriff Anne, dass sie wie ein Gewicht war, das sie in all diesen Monaten wie ein unerwünschtes Kind mit sich herumgetragen hatte.

    Sie beugte sich etwas nach vorn, legte die Stirn an das lackierte Holz, erinnerte sich an ihren Abschied.
    Â»Du siehst besorgt aus« , hatte er gesagt. »Ich habe dir doch gesagt, dass du keine Angst zu haben brauchst.«
    Â»Wie kann ich keine haben?« , hatte sie geantwortet. »Was du vorhast, ist noch nie versucht worden.«
    Â»Ich habe mich schon immer als eine Art Pionier gefühlt.« Er hatte aufmunternd gelächelt. Als das nichts half, hatte er sie in die Arme geschlossen. »Extreme Zeiten erfordern extreme Maßnahmen. Wer verstünde das besser als du?«
    Â»Ja, ja. Natürlich.« Ihr war ein kalter Schauder über den Rücken gelaufen. »Trotzdem muss ich mich fragen, was ... auf der anderen Seite mit uns geschehen wird.«
    Â»Weshalb sollte sich irgendetwas ändern?«
    Sie hatte ihn auf Armeslänge von sich fortgeschoben, um ihm in die Augen sehen zu können. »Du weißt, weshalb« , hatte sie geflüstert.
    Â»Nein, das weiß ich nicht. Innerlich bleibe ich genau wie früher. Du musst Vertrauen zu mir haben, Anne.«
    Hier war sie nun – hier waren sie nun beide – auf der anderen Seite. Dies war der Augenblick der Wahrheit, in dem sie entdecken würde, welche Veränderungen die vergangenen elf Monate in ihm bewirkt hatten. Sie hatte Vertrauen zu ihm, das hatte sie. Aber ihre nie ausgesprochene Angst ließ sich nicht länger verdrängen, lag ihr jetzt wie ein Eisklumpen im Magen. Sie war dabei, das große Unbekannte zu betreten. Es gab keinen Präzedenzfall, und sie fürchtete ehrlich, sie würde ihn so verändert vorfinden, dass er nicht mehr ihr Geliebter war.
    Mit einer Art Knurren, aus dem Selbstverachtung sprach, drehte sie den Türknopf aus Messing und stieß die Wohnungstür auf. Er hatte sie für sie offen gelassen. Als sie die Diele betrat, fühlte sie sich wie eine Hindufrau – als sei ihr Weg
längst vorausbestimmt, als lebe sie im Griff eines Schicksals, das wichtiger als sie selbst, sogar wichtiger als er war. Wie weit sie sich von der privilegierten Erziehung entfernt hatte, die ihre Eltern ihr aufgenötigt hatten! Das hatte sie ihrem Geliebten zu verdanken. Gewiss, sie war selbst schon auf diesem Weg gewesen, aber ihr Aufbegehren war unüberlegt, ziellos gewesen. Er hatte es gezähmt, es in einen scharf gebündelten Lichtstrahl verwandelt. Sie hatte nichts zu befürchten.
    Sie wollte gerade seinen Namen rufen, als sie seine Stimme hörte, deren vertraute Klagelaute ihr wie für sie persönlich bestimmt entgegenzuschweben schienen. Sie fand ihn im Schlafzimmer auf einem von Lindros’ Teppichen, weil er natürlich keinen eigenen hatte mitbringen können.
    Er lag barfuß auf den Knien, trug ein weißes Scheitelkäppchen und war so weit nach vorn gebeugt, dass seine Stirn den niedrigen Teppichflor berührte. Sein Körper war nach Mekka ausgerichtet, und er betete.
    Sie stand stockstill, als fürchte sie, ihn durch eine Bewegung zu stören, und ließ das Arabische wie sanften Regen auf

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