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Der Bourne Betrug

Der Bourne Betrug

Titel: Der Bourne Betrug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Ludlum
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vorgelassen.
    Aber was war, wenn …?
    Anne handelte jetzt rein instinktiv: Sie trat an ihren Toilettentisch, zog die linke Schublade auf und nahm die S&W heraus, die sie nach ihrer Rückkehr aus Washington Northeast an ihren angestammten Platz zurückgelegt hatte.
    Unten wurde geklingelt, was sie zusammenfahren ließ, obwohl sie das Klingeln natürlich erwartet hatte. Sie steckte die Pistole hinten in ihren Hosenbund, verließ das Schlafzimmer und ging die polierte Holztreppe hinunter, um die Haustür zu öffnen. Durch die Rauten aus durchsichtigem gelbem Glas konnte sie die Silhouetten zweier Männer sehen, die beide in ihrem Erwachsenenleben so wichtige Rollen gespielt hatten.
    Indem sie langsam ausatmete, griff sie nach der Messingklinke, setzte ein Lächeln auf und öffnete die Tür.
    Â»Hallo, Anne.« Das Lächeln des Alten erschien ihr wie eine Reflexion ihres eigenen starren Lächelns. »Entschuldigen Sie, dass ich Sie zu Hause störe, aber es geht um etwas sehr Dringendes …« Hier wusste er nicht weiter.
    Â»Sie stören nicht«, versicherte Anne ihm. »Ich bin ganz froh, ein bisschen Gesellschaft zu haben.«
    Sie trat zurück, und die beiden Männer betraten den kleinen Vorraum mit Marmorboden. Auf einem kleinen, ovalen Tischchen mit elegant geschwungenen Beinen stand eine schlanke Cloisonné-Vase mit einen Strauß Treibhauslilien. Anne führte sie ins Wohnzimmer, in dem sich vor dem rot geäderten weißen Marmorkamin zwei mit Seide bezogene zweisitzige Sofas
gegenüberstanden. Sie bat die Besucher, Platz zu nehmen, aber alle schienen lieber stehen bleiben zu wollen. Die Männer zogen nicht einmal ihre Mäntel aus.
    Anne wagte nicht, Jamil ins Gesicht zu sehen, denn sie fürchtete sich davor, was darauf zu lesen sein könnte. Andererseits bot das Gesicht des Alten auch keinen erfreulichen Anblick. Es wirkte völlig blutleer, und die Haut hing lose über den Knochen. Wann war er so schrecklich gealtert? Wo war die Zeit nur geblieben? Ihr kam es erst wie gestern vor, dass sie als ungezogene Göre in London studiert hatte – mit nichts weiter vor sich als eine glänzende, endlos lange Zukunft.
    Â»Sie möchten bestimmt eine Tasse Tee«, sagte sie zu diesem Mumiengesicht. »Ich habe eine Dose Ihrer liebsten Ingwerkekse in der Speisekammer.« Aber ihr Versuch, eine gewisse Normalität herzustellen, blieb ohne Echo.
    Â»Danke, nichts, Anne«, sagte der DCI. »Für keinen von uns.« Er schien jetzt wirklich Schmerzen zu haben, als leide er unter Nierensteinen oder einem Tumor. Aus der Innentasche seines Mantels zog er ein zusammengerolltes Dossier. Während er es auf der Rückenlehne eines der Sofas ausrollte, sagte er: »Mir ist etwas vorgelegt worden, das nur höchst unangenehme Schlussfolgerungen zulässt, fürchte ich.« Sein Zeigefinger glitt übers Papier, als sei der Computerausdruck ein ouija , ein Hexen-Brett. »Wir wissen Bescheid, Anne.«
    Anne fühlte sich, als habe sie den Todesstoß erhalten. Sie bekam kaum noch Luft. Trotzdem fragte sie mit ganz normaler Stimme: »Worüber?«
    Â»Wir wissen alles über Sie.« Er konnte sich noch nicht dazu überwinden, ihrem Blick zu begegnen. »Wir wissen, dass Sie mit dem Feind in Verbindung gestanden haben.«
    Â»Was? Ich habe nie …«
    Nun hob der DCI endlich den Kopf und durchbohrte Anne mit unversöhnlichem Blick. Diesen Blick kannte sie; sie
hatte ihn auf andere gerichtet gesehen, die der Alte von seiner Liste gestrichen hatte. Von diesen Leuten hatte man nie wieder etwas gehört oder gesehen.
    Â»Wir wissen, dass Sie der Feind sind .« Seine Stimme war voller Hass und Abscheu. Anne wusste, dass er nichts mehr verachtete als einen Verräter.
    Sie sah automatisch zu Jamil hinüber. Was dachte er? Wieso kam er ihr nicht zu Hilfe? Sie sah jetzt in sein ausdrucksloses Gesicht und verstand plötzlich alles – sie verstand, wie er sie mit seiner physischen Erscheinung und seinem philosophischen Manifest verführt hatte. Sie begriff, wie er sie ausgenutzt hatte. Sie war Kanonenfutter, konnte so leicht geopfert werden wie jeder aus seinem Kader.
    Was sie am meisten aufbrachte, war die Tatsache, dass sie das hätte wissen müssen: Sie hätte ihn gleich von Anfang an durchschauen müssen. Aber sie war so sehr von sich überzeugt gewesen, hatte unbedingt gegen die verzopfte

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