Der Bourne Betrug
Omar.
Zu seiner Verblüffung hatte er keine Angst. Er schien sich in einer Art Traumzustand zu befinden, als sei er vom Augenblick seiner Geburt an für diese Begegnung bestimmt gewesen. »Wie können Sie so etwas tun?«
»Du wirst gleich den Märtyrertod für unsere Sache sterben«, sagte Fadi auf Urdu, das sein Vater ihn als Kind hatte lernen lassen. »Worüber beschwerst du dich also?«
»Diese Sache«, stellte Omar ruhig fest, »ist eure Sache. Sie ist nicht meine. Der Islam ist eine Religion des Friedens, und trotzdem führt ihr einen schrecklichen, blutigen Krieg, der Familien und ganze Generationen ins Verderben zieht.«
»Die amerikanischen Terroristen lassen uns keine andere Wahl. Sie saugen an unserer Ãlzitze, aber das genügt ihnen nicht. Sie wollen die Ãlzitze besitzen . Also erfinden sie Lügen und fallen mit dieser Ausrede in unser Land ein. Der US-Präsident behauptet, natürlich zu Unrecht, sein Gott habe zu ihm gesprochen. Die Amerikaner haben die Zeit der Kreuzzüge wiederaufleben lassen. Sie sind die schlimmsten Ungläubigen der Welt â wohin sie führen, folgt ihnen Europa bereitwillig oder widerstrebend. Amerika gleicht einer kolossalen Maschinerie, deren Lenker alles auf der Welt zu einem Scheià niederwalzen, der überall gleich aussieht. Gelingt es uns nicht, sie zu stoppen, sind wir erledigt. Sie sind mit nichts weniger zufrieden. Wir stehen mit dem Rücken zur Wand. Dieser Ãberlebenskampf ist uns gegen unseren Willen aufgezwungen worden. Sie haben uns systematisch unsere Macht, unsere Würde geraubt. Jetzt wollen sie sich den gesamten Nahen Osten unterwerfen.«
»Aus Ihnen spricht schrecklicher Hass.«
»Ein Geschenk der Amerikaner. Es gilt, sich von aller westlichen Korruption freizumachen.«
»Und ich sage, dass Sie zum Untergang verdammt sind, solange Sie nur Ihren Hass kennen. Ihr Hass macht Sie blind für andere Realitäten auÃer der, die Sie selbst geschaffen haben.«
Ein Zittern von mühsam beherrschter Wut durchlief Fadis Körper. »Ich habe nichts geschaffen! Ich verteidige nur, was verteidigt werden muss . Wieso begreifst du nicht, dass unsere Lebensart auf dem Spiel steht?«
»Sie sindâs, der nichts begreift. Es gibt einen anderen Weg.«
Fadi warf den Kopf in den Nacken. »Ah, jetzt hast du mir die Augen geöffnet, Omar«, sagte er schneidend scharf. »Ich werde meinem Volk, meinem Erbe entsagen. Ich will werden wie du: ein Sklave, der die dekadenten Launen verwöhnter Amerikaner befriedigt und sich von den Brosamen ernährt, die von ihrem Tisch fallen.«
»Sie sehen nur, was Sie sehen wollen.« Omars Miene war traurig. »Sie bräuchten sich nur das israelische Modell anzusehen, um zu erkennen, was sich mit harter Arbeit und â¦Â«
»Die Israelis haben das Kapital und die Militärmacht Amerikas hinter sich«, fauchte Fadi ihm ins Gesicht. »Und sie besitzen die Atombombe.«
»Das ist natürlich alles, was Sie sehen. Aber die Israelis haben selbst Nobelpreisträger für Physik, Wirtschaftswissenschaften, Chemie, Literatur; sie haben Bahnbrechendes auf Gebieten wie Quantenberechnung, Thermodynamik, Schwarzer Löcher, String-Theorien geleistet. Israelis haben Packard-Bell, Oracle, SanDisk, Akamai, Mercury Interactive, Check Point, Amdocs, ICQ gegründet.«
»Du redest Unsinn«, sagte Fadi abschätzig.
»Ihrer Ansicht nach, ja. Weil Sie sich nur aufs Zerstören verstehen. Diese Leute haben sich ein Leben geschaffen, auch für ihre Kinder und Kindeskinder. An diesem Modell sollten Sie sich orientieren. Wenden Sie sich nach innen, helfen Sie Ihren Landsleuten, verbessern Sie ihre Bildungschancen, ermöglichen Sie ihnen, etwas aus sich zu machen.«
»Du bist verrückt!«, fuhr Fadi ihn an. »Niemals! Schluss damit. Aus, Ende.« Seine Handkante zuckte durch die Luft. Sie
beendete Omars Leben so rasch und sicher, als hätte er ihm die Kehle durchgeschnitten.
Â
Nach einem letzten Blick auf Nicholsons manisch grinsendes Gesicht folgte Muta ibn Aziz dem Ober in das groteske Bad aus rosa Marmor, der ihm wie Fleisch unter abgezogener Haut erschien. Er sah Omar auf dem Stuhl sitzen, den er selbst an die Badewanne gestellt hatte. Und er sah Fadi, der vornübergebeugt Omars Gesicht studierte, als wolle er es sich genau einprägen. Fadis Schminkkoffer war umgekippt, als Omar im
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