Der Bourne Betrug
angefangen hatte â aber nicht vor Kälte, vermutete Bourne. Er schüttelte den Kopf.
Bourne hob eine Handvoll Schnee auf und kühlte damit die Stelle, wo Alem ihn gebissen hatte. Er sah, dass der Junge jede seiner Bewegungen aufmerksam verfolgte.
»Mein älterer Bruder ist vor einem halben Jahr gestorben«, sagte Alem nach einiger Zeit.
Bourne kühlte weiter seine Bisswunde. Am besten ganz locker bleiben, sagte er sich. »Wie ist das passiert?«
Alem zog die Knie hoch, umschlang sie mit beiden Armen. »Er ist bei dem Bergrutsch umgekommen, der meinen Vater zum Krüppel gemacht hat.«
»Das tut mir leid«, sagte Bourne aufrichtig. »Aber reden wir wieder von meinem Freund. Was ist, wenn er noch lebt? Würdest du wollen, dass er stirbt?«
Alem fuhr mit den Fingern durch das verschneite Geröll am Fuà der Mauer. »Du wirst mich schlagen«, murmelte er.
»Warum sollte ich das tun?«
»Ich hab was mitgenommen.« Er nickte zu den Hubschraubern hinüber. »Von dort.«
»Alem, dir passiert nichts. Mir gehtâs nur darum, meinen Freund zu finden.«
Ohne Bourne anzusehen, zog der Junge einen Ring aus der Tasche. Bourne griff danach, hielt ihn in die Sonne. Er erkannte den Wappenschild mit einem aufgeschlagenen Buch in jedem Viertel: das Wappen der Brown University.
»Das ist der Ring meines Freundes.« Er gab ihn dem überraschten Jungen zurück. »Zeigst du mir, wo du ihn gefunden hast?«
Alem kletterte über die Mauer voraus, stapfte dann bis zu
einer fast hundert Meter von der Absturzstelle entfernten Stelle durch den Schnee. Dort kniete er nieder, und Bourne folgte seinem Beispiel.
»Hier?«
Der Junge nickte. »Er war unter dem Schnee, halb in der Erde vergraben.«
»Als hätte ihn jemand mit dem Fuà verscharrt«, ergänzte Bourne für ihn. »Trotzdem hast du ihn gefunden.«
»Ich war mit meinem Vater hier oben.« Alems Handgelenke ruhten auf seinen knochigen Knien. »Wir haben brauchbare Sachen gesucht.«
»Was hat dein Vater gefunden?«
Alem zuckte mit den Schultern.
»Bringst du mich zu ihm?«
Der Junge starrte den Ring auf seiner schmutzigen Handfläche an. Er schloss die Finger darum, steckte ihn wieder ein. Dann sah er zu Bourne auf.
»Ich erzähle ihm nichts davon«, sagte Bourne ruhig. »Ehrenwort.«
Alem nickte, und sie standen gemeinsam auf. Bourne lieà sich von Davis noch ein Antiseptikum und ein Verbandspäckchen für seine Hand geben. Dann führte der Junge ihn auf einem atemberaubend steilen Serpentinenweg von dem kleinen, kahlen Hochplateau durch die vereiste Nordwand des Ras Dejen hinunter.
Â
Anne hatte nicht übertrieben, als sie gesagt hatte, Lerner wolle Blut sehen. Als Soraya im Kellergeschoss von Typhon aus dem Aufzug trat, wurde sie von zwei finster dreinblickenden Agenten erwartet. Damit sie überhaupt dort stehen konnten, brauchten sie Dienstausweise von Typhon, das wusste sie. Schlechte Neuigkeiten, die mit jeder Sekunde schlimmer wurden.
»Amtierender Direktor Lerner möchte Sie sprechen«, sagte der linke Mann.
»Er möchte, dass Sie mit uns kommen«, sagte der rechte Mann.
Sie benutzte ihre leichteste, koketteste Stimme. »Kann ich mich erst ein bisschen frisch machen, Jungs?«
Der linke, der gröÃere Agent sagte: »âºSofort.â¹ Das war der Befehl des amtierenden Direktors.«
Stoiker, Eunuchen, vielleicht beides. Soraya zuckte mit den Schultern und ging mit. Tatsächlich blieb ihr kaum etwas anderes übrig. Während sie zwischen den beiden wandelnden Säulen durch die Korridore marschierte, versuchte sie, sich keine Sorgen zu machen. Sie konnte nichts Besseres tun, als klaren Kopf zu bewahren, während die Leute um sie herum den ihren verloren. Lerner würde sie zweifellos nerven und alles daransetzen, um sie zu provozieren. Sie hatte schon Geschichten über ihn gehört ⦠und dabei war er erst seit einem halben Jahr in der CI. Er wusste, dass sie ihn nicht ausstehen konnte, und sich daran abarbeiten würde wie ein sadistischer Zahnarzt, der Gelegenheit hatte, sich einen ihrer Backenzähne vorzunehmen.
Am Ende des letzten Korridors blieben sie vor dem Eckbüro stehen. Der gröÃere Agent klopfte mit schwieligen Fingerknöcheln militärisch knapp an die Tür. Er öffnete sie und trat zur Seite, damit Soraya eintreten konnte. Aber sein
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