Der Bourne Betrug
den Kim ihr hinhielt. »Alles typisch für Fadi. Wo bekommt man dieses Zeug?«
»Man braucht Zugang zu einem Betrieb, der es verarbeitet, oder einem seiner Lieferanten«, antwortete Kim. »Schwefelkohlenstoff wird zur Herstellung von Zellulose, Tetrachlorkohlenstoff und allen möglichen Schwefelverbindungen verwendet.«
»Kann ich mal deinen Computer benutzen?«
»Bitte sehr«, sagte Kim.
Soraya setzte sich an Kims Arbeitsplatz, rief den Internetbrowser auf und gelangte so zu Google, wo sie »Schwefelkohlenstoff« eingab.
»Schwefelkohlenstoff wird bei der Herstellung von Rayon und Zellophan gebraucht«, las sie vom Bildschirm vor. »Tetra war ein Hauptbestandteil der Füllung von Feuerlöschern und Kühlschränken, wird aber wegen seiner Giftigkeit nicht mehr verwendet. Dithiocarbonat, Handelsname Dmit und Xanthate, dient als Schwemmmittel bei der Aufbereitung von Mineralien. Ebenfalls damit hergestellt wird Natriummethanol, ein Begasungsmittel für Pflanzen.«
»Eines steht fest«, sagte Kim. »Dieses Zeug kriegt man nicht im nächsten Haushaltswarengeschäft. Man muss es ganz gezielt suchen.«
Soraya nickte. »Und das setzt voraus, dass man die Verbindung
und ihre speziellen Eigenschaften schon kennt.« Sie notierte sich ein paar Stichwörter auf ihrem PDA. »Okay, ich muss weiter.«
»Was dagegen, wenn ich mitkomme?«, fragte Overton. »Bevor Sie aufgekreuzt sind, habe ich wie vor einer Ziegelmauer gestanden.«
»Nein, lieber nicht.« Soraya sah verlegen zu Kim hinüber. »Das wollte ich dir eigentlich gleich sagen. Ich bin rausgeflogen.«
»Was?« Kim war entsetzt. »Aber wieso?«
»Der neue amtierende Direktor kann meinen Widerspruchsgeist nicht so gut vertragen. Er legtâs auch darauf an, seine Autorität zu beweisen, glaube ich. Heute hatâs eben mich erwischt.«
Kim umarmte ihre Freundin mitfühlend. »Wenn ich irgendwas für dich tun kann â¦Â«
Soraya lächelte. »Ich weiÃ, wen ich anrufen kann. Danke.«
Sie war zu abgelenkt, um den missvergnügten Ausdruck zu sehen, der Detective Overtons Gesicht verdunkelte. Er würde sich keinen Strich durch die Rechnung machen lassen, nicht jetzt, wo er so kurz vor dem Ziel stand.
Â
Als Bourne und Zaim das Dorf erreichten, hatte es zu schneien begonnen. Wie ein Ball in einer hohlen Hand lag das Dorf, in ein enges Tal geschmiegt, vor ihnen â genau wie Bourne es in Erinnerung hatte. Die niedrigen, schweren Wolken lieÃen die Berge klein und unbedeutend erscheinen, als stünde ihnen bevor, bei einem Kampf zwischen Titanen eingeebnet zu werden. Der Kirchturm war das auffälligste Gebäude, also hielt Bourne darauf zu.
Zaim bewegte sich und stöhnte. Auf halber Strecke war er zu sich gekommen, und Bourne hatte ihm gerade noch rechtzeitig vom Pferd geholfen, damit er sich unter Tannen, durch
deren Ãste der Wind heulte, minutenlang würgend übergeben konnte. Bourne hatte den Amhara dazu überredet, etwas Schnee zu essen, um den Flüssigkeitsverlust auszugleichen. Zaim war benommen und schwach, aber er verstand jedes Wort, als Bourne ihm erklärte, was passiert war. Ihr Ziel, hatte er dem Amerikaner erklärt, sei ein Lager am Rand des Dorfs, an das Bourne sich erinnerte.
Jetzt waren sie im Dorf angelangt. Obwohl Bourne es eilig hatte, mit dem Mann zusammenzukommen, von dem Zaim behauptete, er könne ihn zu Lindros bringen, musste er sich erst um den Amhara kümmern. Zaims Kleidung war steifgefroren; wurde sie nicht bald aufgetaut, würde sie die Haut abreiÃen, wenn sie ihm ausgezogen wurde.
Der Grauschimmel, den Bourne durch kniehohe Schneeverwehungen hatte galoppieren lassen, war ziemlich erschöpft, als sie den AuÃenbezirk des Lagers erreichten. Scheinbar aus dem Nichts tauchten dort drei Amhara auf, die wie der Mann, dem Bourne das Genick gebrochen hatte, mit Krummdolchen bewaffnet waren.
Damit hatte Bourne gerechnet. Hierzulande würde kein Lager unbewacht sein. Er blieb unbeweglich auf dem keuchenden, schnaubenden Grauen sitzen, während die Amhara Zaim herunterzogen. Als sie ihn erkannten, rannte einer von ihnen zu der Hütte in der Mitte des Lagers. Wenige Minuten später kam er mit einem alten Mann zurück, der offensichtlich der negus  â ihr Stammeshäuptling â war.
»Zaim«, sagte er, »was ist dir zugestoÃen?«
»Er hat
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