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Der Brombeerpirat

Der Brombeerpirat

Titel: Der Brombeerpirat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Lüpkes
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nach und nach konnte er den Hafen ü berblicken. Ein paar Meter weiter ragten leuchtend bemalte Seetonnen wie ein kleiner, signalfarbener Wald in die Höhe, an der Kaiseite gegenüber nahm gerade ein altes, hölzernes Segelschiff seine Fahrt Richtung See auf. Die junge, ein wenig ungewaschen wirkende Besatzung winkte beiläufig den an Land Zurückgebliebenen zu, und ein zotteliger Mischlingshund kläffte schallend von der vorderen Bootsspitze, war das jetzt Bug oder Heck?
    Am Ende der asphaltierten Rampe stand ein Streifenwagen. Als sie näher kamen, öffnete die Frau hin term Steuer die Autotür, stieg aus und kam auf sie zu.
    »Soso, Sie sagten also, Sie kennen unsere Kollegin. Klein und zierlich, hmm?«
    Sanders war eins neunzig groß und schaute der massigen Frau direkt in die Augen. »Schön, dass Sie da sind. Jutta Lütten-Rass, wir haben telefoniert«, fiepste sie.
    Sanders schluckte und schaute weg. Ein kurzer Ruck ging durch seinen Körper: Wenn er nicht genau gewusst hätte, dass Wencke Tydmers heute Mittag auf die Kanaren fliegen wollte, dann hätte er schwören können, sie eben für einen kurzen Augenblick von hinten gesehen zu haben. Wenckes jungenhafte, etwas nachlässig gekleidete und ihm so unangenehm vertraut gewordene Gestalt am Norderneyer Hafen? Aber das konnte schließlich nicht sein.
    »Was ist los, Kollege? Schon ‘nen Inselkoller?« Die dicke Uniformierte quetschte sich hinter das Lenkrad, Sanders setzte sich mit Britzke auf die Rückbank. Es ging ihm irgendwie gar nicht gut.

06.
    Pinki saß in dem kleinen, quadratischen Raum und nagte sich den Lack von den Nägeln. Sie war schon einmal hier gewesen, als man sie im Drogeriemarkt erwischt hatte, wie sie sich einen neonfarbenen Lippenstift in die Tasche gesteckt hatte. Damals war Leefke dabei gewesen.
    Nun war Leefke tot.
    Ihre Mutter hatte sie heute Morgen damit geweckt. Die letzte Woche Sommerferien, sie hatte ausschlafen wollen, in den Tag hineindösen, bis es Mittagessen gab. Doch ihre Mutter war ins Zimmer gekommen, hatte sich an ihr Bett gesetzt und ihr über die Haare gestreichelt. Schon da hatte sie geahnt, dass etwas nicht stimmte.
    »Leefke ist tot. Sie hat sich letzte Nacht zu Tode gestürzt.«
    Fast im selben Moment schon hatte Pinki geschrien. Die Mutter hatte sie fest in den Arm genommen. »Nicht so laut, mein Schatz, denk doch an die Gäste.« So war dieser plötzliche Schock, diese Trauer, im T-Shirt der Mutter erstickt worden.
    Geheult hatte sie später, das war dann auch nicht mehr so laut. Nur die Wimperntusche hatte es weggespült, und sie hatte sich mit dem Gesicht kaum auf die Straße getraut. Doch was hätte die Menschen, die sie kannten, mehr gestört? Verweinte Augen oder ein makelloses Make-up? Ihre beste Freundin war tot.
    Und sie hatten sich gestritten, gestern Abend noch, Viva geschaut und sich dabei in die Haare gekriegt. Wegen dieser Sache mit Jasper. Mal wieder.
    »Lass es, Leefke. Behalt es für dich. Wenn du es jemandem erzählst, gibt es nur noch mehr Ärger.«
    »Na und? Ist mir egal! Die Klappe haben wir lang genug gehalten.«
    Klar war sie ein wenig eifersüchtig auf ihre Freundin gewesen. Aber das war es nicht, was sie so wütend gemacht hatte. Eigentlich war es eher die Angst, dass sie alle dran waren, wenn Leefke nicht schwieg.
    Und als Leefke ging, hatte sie ihr hinterhergerufen: »Pass auf, Leefke Konstantin. Ich schwöre dir, unsere Freundschaft ist tot, wenn du es tust.«
    Sie hatte ihre beste Freundin mit dieser irrsinnigen Wut von sich weggestoßen. Die Enge in Pinkis Hals zerriss in einem schmerzenden Schluchzen.
    Der Polizist ihr gegenüber hörte auf, wie verrückt auf die Tastatur des PC zu hämmern. Er hatte Tetris gespielt, seit einer halben Stunde schon. Pinki kannte ihn vom Sehen. Er war wohl die Saisonverstärkung und sah eigentlich ganz süß aus. Aber mit ihren roten Augen hatte sie bestimmt sowieso schon bei ihm Verschissen.
    »Mädel, kann ich dir irgendetwas Gutes tun?«
    Sie brachte nur ein klägliches Kopfschütteln zustande.
    »Die Kripo vom Festland ist sicher gleich da. Das Warten ist oft das Schlimmste.«
    Sie versuchte sich zusammenzureißen. »Kannst du mir nicht die Fragen stellen?« Mist, ihre Stimme klang quäkend und albern. Er fand sie sicher lächerlich.
    »Tut mir Leid. Wir haben da so unsere Dienstwe ge. Und mich haben sie heute nur zum Getränkeholen für dich abgestellt. Willst du ‘ne Cola?«
    Sie nickte, um nicht wieder so peinliche Töne von sich zu geben.
    Als

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