Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Buddha aus der Vorstadt

Der Buddha aus der Vorstadt

Titel: Der Buddha aus der Vorstadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanif Kureishi
Vom Netzwerk:
nicht, was aus diesem komischen alten Politiker geworden ist, den man in den Knast geworfen hat?«
    Im Gegenzug beging er den taktischen Fehler, sie nach ihren sozialen und politischen Überzeugungen zu fragen. Eines Morgens legte sie ihm die »Gefängnistagebücher« von Gramsci auf die Brust, ohne daran zu denken, daß sein Hang zu Taschenbüchern nicht völlig unterschiedslos war. »Warum hast du das hier nicht gelesen, wenn du so interessiert bist?« fragte sie ihn Wochen später herausfordernd. »Weil ich es lieber von deinen Lippen höre.« Und er wollte es wirklich von ihren Lippen hören. Er wollte sehen, wie sich die Lippen seiner Frau bewegten, weil es Lippen waren, die er mehr und mehr schätzen gelernt hatte. Es waren Lippen, die er kennenlernen wollte.
    Eines Tages, als wir durch die Trödelläden und Secondhand-Buchläden stöberten, faßte mich Changez am Arm und zwang mich, ihm ins Gesicht zu sehen, was selten ein erfreulicher Anblick war. Endlich, nachdem er wochenlang wie ein ängstlicher Taucher auf einem Felsen gebibbert hatte, überwand er sich und fragte: »Glaubst du, daß meine Jammie jemals mit mir ins Bett gehen wird? Sie ist schließlich meine Frau. Ich denke dabei an nichts Ungesetzliches. Du kennst sie doch schon dein Leben lang - bitte, sag mir ganz ehrlich: Welche Chancen habe ich in dieser Sache?« »Deine Frau? Im Bett mit dir?«
    »Ja.«
    »Keine Chance.«
    »Was?«
    »Unmöglich, Changez.«
    Er wollte es nicht wahrhaben. Ich erklärte es ihm näher: »Sie würde dich nicht einmal mit Asbesthandschuhen anfassen.«
    »Warum denn? Bitte, sei offen zu mir, wie du es bisher in allen anderen Dingen auch gewesen bist. Du kannst sogar vulgär werden, Karim, ganz wie du willst.«
    »Du bist zu häßlich.«
    »Wirklich? Mein Gesicht?«
    »Dein Gesicht. Dein Körper. Alles. Igitt.«
    »Ehrlich?« In dem Moment spiegelte ich mich in einer Schaufensterscheibe, und ich war zufrieden mit dem, was ich sah. Ich hatte keine Arbeit, keine Ausbildung und keine Aussichten, aber ich sah ziemlich gut aus, und das war doch was. »Jamila legt Wert auf Qualität, weißt du.«
    »Ich hätte gerne Kinder mit meiner Frau.«
    Ich schüttelte den Kopf. »Vergiß es.«
    Diese Sache mit den Kindern war für Changez, die Blase, keineswegs unwichtig. Vor kurzem hatte es einen schrecklichen Zwischenfall gegeben, der ihm in Erinnerung geblieben sein mußte. Wohl in dem Glauben, daß ich mit Erfolg auf ihn aufpassen könnte, bat Anwar Changez und mich, den Laden aufzuwischen. Was sollte dabei auch schiefgehen können? Ich machte mich in dem verlassenen Laden an die Schrubberei, während Changez mit unglücklichem Gesicht den Eimer in der Hand hielt und mich fragte, ob ich noch andere Romane von Harold Robbins hätte, die er sich ausleihen könnte. Dann tauchte Anwar auf und sah uns beim Arbeiten zu. Endlich schien er sich zu etwas durchgerungen zu haben: Er fragte Changez, wie es Jamila und ihm ginge. Er fragte Changez, ob Jamila »erwartet«.
    »Was >erwartet    »Meinen verdammten Enkel!« antwortete Anwar. Changez sagte nichts, schlurfte aber in den Hintergrund des Ladens, fort von der lodernden Verachtung Anwars, die eine bodenlose Enttäuschung schürte.
    »Es muß doch irgendwas«, sagte Anwar zu mir, »irgend etwas zwischen den Beinen dieses Esels hängen?«
    Bei diesen Worten explodierte Changez. Zentrum des Bebens war sein großer Bauch, von dem aus Wellen der Wut durch seinen Körper gingen, und sein Gesicht schien plötzlich größer zu sein, während es zugleich flach wurde wie eine Qualle. Selbst sein entstellter Arm pulsierte wahrnehmbar, bis Blases ganzer Körper von Zorn, Erniedrigung und Unverständnis geschüttelt wurde.
    Er schrie: »Zwischen den Beinen dieses Esels hier ist mehr als zwischen den Ohren von dem Esel dort!«
    Und er stürzte sich auf Anwar, in der Hand eine Karotte, die gerade griffbereit gelegen hatte. Jeeta, der kein Wort entgangen war, eilte herbei. Die Ereignisse der letzten Zeit schienen in ihr etwas Kraft und Verwegenheit freigesetzt zu haben; sie war gewachsen, während Anwar geschrumpft war. Außerdem war ihre Nase so krumm wie ein Schnabel geworden, und jetzt schob sie dieselbe als Hindernis zwischen Anwar und Changez, damit keiner den anderen zu fassen bekam. Und sie verpaßte Anwar eine Standpauke. So hatte ich sie noch nie reden gehört. Sie war furchtlos. Mit ihrem Atem hätte sie selbst Gulliver schrumpfen lassen können. Anwar drehte sich um und zog

Weitere Kostenlose Bücher