Der buddhistische Mönch
löst sie jedoch wieder den Albtraum aus, vor dem ich schon die ganze Woche wegzulaufen versuche. Nur mit Mühe gelingt es mir, ihn zu verdrängen und nach einer Weile wegzudösen.
Ich erwache völlig desorientiert. Normalerweise schlafe ich während einer solchen Massage nicht ein. Warum hat Kimberley ihren Vorhang geöffnet? Und warum kniet sie neben mir und streicht mir über die Wange?
»Du hast plötzlich zu schreien angefangen und den Mädels einen Riesenschreck eingejagt.« In ihrem Gesicht ist Mitgefühl zu lesen, als sie meint: »Du bist ein leidenschaftlicher Mensch, Sonchai. Ein Teil von dir liebt sie immer noch, egal, wie schlecht sie war.«
Nachdem wir uns angezogen und gezahlt haben, stehen wir ein wenig verloren draußen in der engen soi. Endlich bringe ich den Mut auf zu sagen: »Kimberley, ich muss dich um einen Gefallen bitten. Kannst du dir denken, um welchen?«
»Klar. Du möchtest dir die DVD noch mal anschauen, und ich soll dir dabei die Hand halten, oder?«
Ich berühre ihre Schulter. »Danke, Kimberley.«
24
Während der gesamten Heimfahrt beschäftigen mich Stanislaus Kowlovski und sein DVD-Auftritt. Ich fühle mich wie vor dem zweiten Fallschirmsprung. Der erste ist angeblich erträglich, weil man nicht weiß, was einen erwartet, aber beim zweiten wehrt sich alles in einem, und man fragt sich: Warum bloß tue ich mir das an? Schließlich wäre es Vikorn scheißegal, vielleicht sogar lieber, wenn ich die Ermittlungen zu der Damrong-DVD einfach ruhen lassen würde.
Zu Hause begrüße ich Chanya mit einem Kuss, tätschle ihren Bauch und verzehre die Mahlzeit, die sie liebevoll für mich zubereitet hat. Sie blickt mich an und schluckt. Ich denke: O gütiger Buddha, sie sieht in mein Herz. Meiner Intuition folgend, umarme und küsse ich sie. Die Arme, sie fühlt sich bedroht, weil ich mir mit meiner farang- Freundin eine Massage gegönnt habe. Vor einem Thai-Mädchen hätte sie keine Angst, aber vor Kimberley, die ihrer Meinung nach die westliche Seite meines Wesens repräsentiert, hat sie Respekt: So sehr Chanya mich auch liebt, sie wird nie vergessen, dass ich ein leuk kreung bin, ein Mischling mit verborgenen farang -Neigungen und -Vorlieben.
Es ist fast schon komisch, zu welch genauen und gleichzeitig falschen Schlüssen das Herz gelangen kann. Natürlich denke ich die meiste Zeit an eine andere Frau, aber nicht an Kimberley. Mein Schwur – den ich unter einer Mischung aus Tränen und Gekichere ablege –, ich würde gerne als hungriger Geist wiedergeboren, falls ich jemals auf die Idee verfiele, mit Kimberley schlafen zu wollen, klingt offenbar so überzeugend, dass Chanya sich schämt und ihre Zweifel an mir wieder gutmachen möchte: Sie verspricht, mir meine Lieblingsspeise pia neung menau, gedünsteten Fisch in Zitronensauce, zu kochen.
Wir schlafen miteinander, so gut es in ihrem Zustand geht. In ihrem Bedürfnis nach Liebe und Zuspruch möchte sie es mir so schön machen wie möglich. Dabei verwendet sie den einen oder anderen Trick aus ihrer Zeit im Gewerbe, was uns beide zum Lächeln bringt. Ich lasse sie spüren, wie sehr ich sie liebe, ganz ohne Heuchelei, aber mit einem quälenden Gefühl. Hinterher fragt sie mich: »Das war wieder sie, stimmt’s?«
Ich versuche, sie in den Arm zu nehmen, doch sie dreht sich weg.
»Ich muss mir die DVD noch mal ansehen, Schatz, und das fällt mir nicht gerade leicht. Kimberley wird mir Gesellschaft leisten.«
»Warum nicht ich?«
Langes, ängstliches Schweigen meinerseits, bevor ich antworte: »Wegen der Dinge, die du sehen würdest.«
»Du glaubst, ich komme nicht mit so etwas zurecht?«
»Doch, natürlich, aber ich halt’s nicht aus, dass du mich dabei beobachtest.«
Wir wollen nicht streiten; außerdem ist Chanya mittlerweile so gelassen, dass sie eines trivialen Snuff Movie wegen nicht mehr die Fassung verliert. Ich sehe zu, wie sie von beneidenswerter Müdigkeit, dem Vorrecht der Reinen im Geiste, übermannt wird.
Nun ergreife ich die Gelegenheit, ihren Bauch voller Erstaunen, Angst und Vorfreude zu liebkosen. Die Vipassana -Meditation wirkt auf jeden anders. Obwohl ich mich nicht als Meister dieser Form bezeichnen würde, bin ich immerhin bis zu jenem Teil der Psyche vorgedrungen, in dem Erinnerungen an den Uterus verborgen sind. Sie suchen mich heim, seit ich weiß, dass ich bald Vater sein werde. Ich erlebe die Furcht vor der Geburt wieder, den ersten beißenden Atemzug voller Sauerstoff, die brennende Luft auf der
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