Der Bund der Drachenlanze - 10 Ellen Porath
niederließen. Unter den ersten war Xantar, der
sich umständlich auf einen nadelartigen Felsvorsprung
setzte. Wie der Blitz sprangen Tanis und Caven zwischen
den Bäumen hervor und rannten auf ihn zu.
Tanis rief den Namen der Eule in der Erwartung, gleich
die sarkastischen Worte des Tiers in seinem Kopf summen
zu hören. Aber es kam keine telepathische Antwort. Tanis
war erschrocken, Caven überrascht. Vor der Rieseneule
blieben sie stehen.
»Was hat denn der alte Kanarienvogel?« stammelte Caven. Tanis blickte dem Vogel in die eingesunkenen,
schlammfarbenen Augen, die vor Schmerz verschleiert waren. Der Schnabel des Vogels stand ein Stück weit offen. Er
schien zu keuchen. Aus der Nähe erkannte der Halbelf das
einst schlanke Tier kaum mehr. Die stolze Haltung des Vogels konnte nicht verbergen, daß Xantar fast nur noch aus
Knochen und Federn bestand.
»Er kann nicht mit uns reden«, sagte Tanis zu Caven. »Er
ist zu weit vom Düsterwald entfernt. Die Zauberin hatte
ihn gewarnt.« Der Vogel nickte. »Aber er kann alles verstehen, was wir sagen.« Wieder nickte Xantar.
»Was ist mit den anderen Vögeln?« wollte Caven wissen.
»Können wir mit ihnen kommunizieren?«
Tanis sah sich die lautstarke Menge Rieseneulen an, die
sich ein ganzes Stück in beiden Richtungen über das Ufer
verteilt hatten. Xantar schüttelte den Kopf. »Nach allem,
was Kai-lid erzählt hat, vermute ich, daß nur Xantar die
seltene Fähigkeit hatte, mental zu anderen als zu seiner
Rasse zu sprechen«, meinte der Halbelf. Xantar neigte wieder den Kopf.
»Könnte er noch mit der Zauberin reden?«
Xantar legte den Kopf schief, und Tanis zuckte mit den
Schultern. »Vielleicht. Er hat sie ausgebildet. Zwischen ihnen besteht ein starkes Band. Aber das spielt keine Rolle,
oder? Sie ist nicht hier.«
Vier etwas kleinere Eulen gesellten sich zu Xantar. Sie
schienen mit dem alten Vogel zu streiten. Jeder von ihnen
saß auf der Spitze einer toten Eiche und zeigte seine Erregung durch Zirpen, Flügelschlagen und reichlich Schnabelwetzen. Xantar saß – offenbar ungerührt – hoch auf seinem Stein und überblickte sie alle wie ein König. Die kleineren Vögel meldeten sich wieder zu Wort, doch Xantar
senkte wieder den Schnabel; weil er anderer Meinung war,
wie Tanis vermutete. Die anderen rutschten unruhig auf
ihren Ästen hin und her und heulten lauter. Xantar schien
nachzudenken, senkte dann aber erneut den Schnabel. Die
vier anderen Eulen dachten offenbar, daß eine Entscheidung gefallen war. Mit kräftigem Flügelschlag schwangen
sie sich in die Luft.
Xantar folgte ihnen nicht. Statt dessen richtete er sich auf
und rief ihnen etwas hinterher. Sein Kreischen konnte es
mit dem Tosen von Wind und Ozean und krachenden Eisschollen aufnehmen.
Mehrere Eulen stiegen auf und kreisten über ihnen, wobei sie auf die Rieseneule einschrien. Eine schien besonders
aufgestört, denn sie schoß wieder und wieder zu Xantar
herab und kreischte abgehackt.
»Ich glaube, sie wollen, daß Xantar nach Hause zurückkehrt«, sagte der Halbelf, der zusah, wie die Rieseneule
ihren Schnabel hob und ein tiefes Trillern ausstieß, wie
Wasser, das über Steine rinnt. Daraufhin kamen die vier
zurück, wirkten jedoch geschlagen. Diesmal landeten sie
auf dem Boden, wo sie Tanis und Caven aus großen Augen
anstarrten.
»Ich hasse diesen Blick«, flüsterte Caven. »Da komme ich
mir vor wie Abendbrot. Ihr Abendbrot.«
»Ich denke, daß Xantar seine Familie immer noch beherrscht«, sagte Tanis, der die Bemerkung seines Kameraden ignorierte. Er erhob die Hand gegenüber dem nächstsitzenden Vogel. Dieser neigte leicht seinen Kopf.
Caven zog eine Augenbraue hoch. »Familie?«
»Sieh sie dir an.« Tanis zeigte auf die vier und auf andere
Eulen zu beiden Seiten. »Xantars Dunkelbraun und Grau,
und sie sind heller. Diese beiden sind golden, aber ein paar
haben den gleichen weißen Fleck über dem Auge wie er.
Sieh dir ihre Gefiederzeichnung an, ihre Haltung. Traust
du deinen eigenen Augen nicht?«
Der Kerner starrte eine Weile hin und schüttelte dann
den Kopf.
»Wenigstens ist jetzt klar, wie wir ins Eisreich kommen«,
stellte Tanis fest. Xantar nickte.
»Klar?« Cavens Augen schossen nervös von Tanis zu
Xantar, dann zu dem Paar brauner Eulen hinüber, das über
die Böschung auf den Halbelfen und Caven zugewatschelt
kam. Ihre braunen Augen leuchteten entschlossen, doch
das Gesicht des Söldners verriet seine aufkeimende Panik.
»Oh, nein!«
Tanis
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