Der Bund der silbernen Lanze: Historischer Kriminalroman (German Edition)
Temperament des Weins und die Leidenschaft der Frauen – kurz: die angenehmen Seiten des Lebens.«
»Ach, tat er das? Er liebte die Frauen? Na, dann hatte er ja etwas mit Euch gemein.« Laetitia zog die Lippen kraus, denn sie erinnerte sich genau an den Eifer, mit dem Sebastian beim Fest seines Vaters die Damen unterhalten hatte. Das hatte sie ihm nicht recht verziehen.
»Nein, nicht von mir wollen wir reden, sondern von Konstantin. Oder noch besser: von Euch. Schließt noch einmal die Augen und konzentriert Euch auf jenen Tag. Was, außer Respekt und Furcht, habt Ihr noch gefühlt? Denkt an den Marmor, der die Halle auskleidete und die Mosaike an den Wänden?«
»Nichts habe ich gefühlt, bloß Kälte. Eigentlich war es eine fürchterliche Kälte, die ich empfand. Ein eisiges Gefühl, das mir von den Zehen bis in den Nacken kroch. Sogar mein Atem wurde zu einem feinen weißen Nebel.«
Statt enttäuscht auf ihre höchst profane Bemerkung zu reagieren, schnippte Sebastian begeistert mit den Fingern. Er tat, als hätte sie soeben eine Entdeckung von bahnbrechender Bedeutung gemacht. »Genau! Das ist es. Kälte, unangenehme Kälte herrschte in dieser Halle. Kälte, die einem durch Mark und Bein drang. Und nun sagt mir: Weshalb hätte der große Konstantin das dulden sollen? Hatte er etwa Lust darauf, in seinem Thronsaal vor Kälte zu schlottern?«
»Kaum.«
Sebastian sprang auf sie zu und packte sie bei den Schultern: »Kaum! Und eben daher ließ er durch seine geschickten Baumeister eine Vorrichtung erbauen, die den gesamten Thronsaal beheizte. Wartet, ich kann Euch alles genau zeigen!«
Er nestelte etwas aus seinem Umhang hervor und zum Vorschein kam eine Schriftrolle. Voller Eifer breitete Sebastian das Pergament aus und presste es gegen die Mauer eines der Häuser, die den Platz umsäumten. »Seht hier, dies ist der Konstruktionsplan der Basilika. Alberos Vorgänger benutzte ihn für den Umbau zur erzbischöflichen Residenz.«
»Woher habt Ihr den?«, staunte Laetitia.
»Zwei Nächte in Folge habe ich mich heimlich in die erzbischöflichen Archive eingeschlichen. Die Kniffe dazu beherrsche ich ja, wir Ihr selber wisst. Ich stöberte so lange in verstaubten Papieren, bis ich endlich fündig wurde. Schaut, dies ist die Apsis, die man vor vielen Jahren zu einem Wohnturm ausbaute. Weiter unten seht Ihr den Hauptteil des Gebäudes. Darunter befand sich zu Zeiten Kaiser Konstantins ein Hypocaustum.«
»Hypocaustum?« Laetitia, die das Wort noch nie gehört hatte, dehnte jede Silbe davon. Erwartungsvoll schaute sie Sebastian an, dessen lebhaftes Mienenspiel seine Begeisterung über die geniale Erfindung spiegelte.
»Ja, ein Hypocaustum. So nannten die alten Römer eine Vorrichtung zum Beheizen von Sälen, die im Wesentlichen aus einem doppelten Fußboden bestand. Das Ganze funktionierte wie folgt … « Eifrig, mit den Fingern über den Konstruktionsplan gleitend, erklärte er ihr, dass die Römer im Kellergewölbe der Basilika mächtige Brennöfen installierten, die dort die Luft aufheizten. Die erwärmte Luft stieg empor und wurde durch Schächte in die Seitenmauern abgeleitet. Von dort aus strahlte die Wärme in den gesamten Raum.
»Und das gab es wirklich zu alten Zeiten in der Konstantinbasilika: Man hat die Räume mit aufströmender Luft beheizt?«, fragte Laetitia ungläubig.
»Ja, aber was uns viel mehr interessiert als diese Heizungsluft sind die Schächte selbst oder besser noch die Zugänge, über die Konstantins Sklaven den eigentlichen Heizraum erreichten. Davon gab es genau zwei und nun ratet mal, wo der Ausgangspunkt von einem der beiden lag.«
»Dort, wo sich heute die Kammer befindet, in der Brigitta umgebracht wurde? Hinter der Ebenholzverkleidung!«
»Genau.«
»Dann ist der Mörder durch den einen Zugang in den Heizraum gelangt und durch den anderen wieder vom Kellergewölbe hinauf.« Den Rest konnte sie sich ohne große Anstrengung ausmalen. Der Täter musste die Wandvertäfelung, die wohl an der dem Keller zugewandten Seite über einen entsprechenden Mechanismus verfügte, geöffnet haben. Brigitta, die auf ihre Vernehmung wartete, war wehrlos und völlig überrascht. Zudem war sie geknebelt. Nichts leichter für den Täter, als sein Messer zu ziehen und die einzige Zeugin für den Mord an Burkhard umzubringen, ohne dass sie auch nur einen hörbaren Schreckensschrei ausstoßen konnte. In den angrenzenden Räumen schöpfte niemand den leisesten Verdacht.
Sebastians Erkenntnissen, die
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