Der Bund der silbernen Lanze: Historischer Kriminalroman (German Edition)
sicher.«
Laetitia nickte.
»Ich werde Euch ein Mittel aus dem Infirmarium holen lassen, damit Euch in der Nacht keine Albträume quälen.«
»Danke, das ist eine gute Idee.«
»Zuvor aber müsst Ihr mir erklären, was Ihr überhaupt von Burkhard wolltet.«
Erst jetzt kam Laetitia wieder ihr Auftrag in den Sinn. Verdrossen fasste sie nach dem Beutel mit den Smaragden, die sich in ihren Händen mittlerweile wie gefährlich glühende Höllensteine anfühlten. »Heloïse hat mich zu ihm geschickt. Diese Steine sollte ich Burkhard bringen.«
Den fluchbeladenen Schatz nicht mehr ertragend, schob sie ihn heftig von sich, sodass die Edelsteine aus dem Beutel hervorkullerten. Nun lagen sie auf dem Tisch und funkelten wie die Augen boshafter Mordzeugen, die aus Niederträchtigkeit schwiegen. Trotzdem verloren sie ihre Schönheit nicht und zogen mit ihrem prachtvollen Schillern gewiss die meisten Menschen in Bann. Karolina jedoch streifte sie bloß mit einem flüchtigen, gleichgültigen Blick, um sich sofort wieder Laetitia zuzuwenden: » Diese Steine wolltet Ihr Burkhard geben?«
»Ja, ich sollte im Gegenzug etwas von ihm erbitten, das Heloïse sehr wichtig war.«
»Etwas, das einen solchen Preis wert ist?«
»Offenbar.«
»Wenn Burkhard Dinge besitzt – oder vielmehr besaß – , die einen solchen Preis rechtfertigten, gibt es vielleicht noch jemand anderen, der ein Interesse an ihnen hatte.«
»Ihr meint, jemand wollte dasselbe von ihm haben wie ich und hat ihn deswegen getötet?«
»Wäre doch möglich. Vielleicht ist diese wertvolle Sache, von der Ihr da redet, Burkhard zum Verhängnis geworden?«
»Nein, das halte ich für ausgeschlossen. Es ging um einen persönlichen Gegenstand, eine Sache, die nur Heloïse wichtig war, niemandem sonst.«
»Wollt Ihr mir nicht endlich sagen, um was es sich dabei handelt?«
Draußen rauschten die Wipfel der Bäume, die im Wind schwankten. Laetitia starrte auf den Feuerplatz, an dem die sterbende Glut des niedergebrannten Feuers schwach und schwächer glomm. Einerseits wollte sie Karolinas Vermutung entkräften. Ihr leuchtete einfach nicht ein, warum jemand anders im Entferntesten an den Briefen interessiert sein sollte – alte Briefe von Äbtissin Heloïse, die sie vor vielen Jahren dem einst geliebten Mann geschrieben hatte. Gut, seinerzeit hatte die Aufdeckung der verbotenen Liebe zwischen dem Geistlichen Petrus Abaelardus und der ihm anvertrauten Schülerin Heloïse einen beispiellosen Skandal zur Folge, den geschwätzige Münder weit in die Lande hinaus trugen. Aber spätestens seit der Entmannung von Abaelardus, mit der Heloïses Vormund ihn für die Verführung seiner Nichte abgestraft hatte, und dem Klosterbeitritt von Heloïse sollte das vorbei sein. Sogar das lüsternste Auge dürfte keine rechte Freude mehr daran finden, die geheimen Botschaften ihrer Leidenschaft zu lesen. Nur Heloïse, die sich im Kloster jahrelang nach dem Geliebten gesehnt hatte, wollte die zärtlichen Zeitzeugen ihrer Liebe in ihren Händen wissen. In den ersten Jahren nach seinem Tod hatte sie aus Angst vor Gerede nichts unternommen. Aber mittlerweile bemühte sie sich, die Korrespondenz aus seinem Nachlass zu erhalten. Nachdem sie erfahren hatte, dass die Briefe in den Besitz von Burkhard gelangt waren, hatte sie Laetitia nach Trier geschickt.
Natürlich wusste Laetitia um das Diskretionsbedürfnis der Äbtissin. Andererseits kamen ihr beunruhigende Zweifel. Was, wenn Burkhard tatsächlich wegen der Briefe ermordet worden war? Durfte sie unter diesen Umständen schweigen? Was galt in dieser Situation mehr: Offenheit oder Geheimhaltung? Gewiss, wenn sie gegenüber Karolina die Briefe erwähnte, würde sie damit Heloïses Vertrauen enttäuschen. Aber hier ging es um Mord – da galten besondere Regeln. Zögerlich erhob sich Laetitia von ihrem Schemel und trat an das Pult, auf dessen Fläche sie zuvor die Schriftfragmente abgelegt hatte. Zwischen Schriftrollen und Pergamenten, reichlich bemalt mit farbigen filigranen Abbildungen von Pflanzen, Tieren und allerlei Schriftzeichen, lag verloren das blutbefleckte, zerfledderte Papier. Irgendwann hatte es Wichtiges zu erzählen gewusst, doch jetzt blieb es stumm und nutzlos. »Ich sollte für die Äbtissin Briefe auslösen, verbotene Briefe, die sie vor vielen Jahren an ihren Geliebten Petrus Abaelardus schrieb.« Jetzt war es heraus. Laetitia wagte nicht, sich nach Karolina umzuwenden, da sie sich vor der Kritik in ihren Augen fürchtete.
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