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Der Bund des Raben 01 - Dieb der Dämmerung

Titel: Der Bund des Raben 01 - Dieb der Dämmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Barclay
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ihre Pferde und stiegen ab. Hirad schritt sofort erwartungsvoll zu Denser.
Doch die Frage, die er stellen wollte, blieb ihm im Hals stecken, als er Densers Augen sah. Er neigte respektvoll den Kopf und fasste dicht unter der Schulter den rechten Arm des Magiers.
    »Ich verstehe deinen Kummer«, sagte er.
    »Und ich verstehe deinen Zorn«, erwiderte Denser. Er hielt inne und brachte ein schwaches Lächeln zustande. »Er ist drinnen.«
    Der Unbekannte saß an einem primitiven Tisch auf der Bank und redete mit Ilkar und Erienne, als Hirad den Vorhang zur Seite zog und hereinkam. Ein Kloß bildete sich in seinem Hals, als er den großen Mann einen Moment lang beobachtete, bis er sicher war, dass seine Stimme ihm wieder gehorchen wollte.
    Die Mimik, die energischen Bewegungen, wenn er die Hände gebrauchte, die Art und Weise, wie er sich über den Schädel und den Hinterkopf bis zum Nacken strich, als wollte er eine Falte glätten. Alles war da. Wo vorher Sol gewesen war, saß jetzt der Unbekannte. Keine Maske, keine emotionslosen Augen, keine doppelschneidige Axt.
    »Bei allen Göttern, du bist es wirklich.« Seine Stimme brach, und eine Träne schimmerte in seinem Auge. Er wischte sie fort, als er ganz ins Zelt trat. Der Unbekannte kam um den Tisch herum, und die beiden Männer umarmten sich. Hirad klopfte dem großen Krieger auf den Rücken. »Wie fühlst du dich?«
    Der Unbekannte wich einen Schritt zurück. »Das weiß ich nicht«, sagte er. »Ich weiß aber, dass ich es bin.« Er zuckte mit den Achseln. »Ich wusste es ja schon vorher … du hast mich erkannt. Als ich noch Sol war. Aber ich konnte nicht mit dir sprechen. Irgendetwas hat mir verboten, dich ebenfalls zu erkennen, auch wenn meine Augen mich verraten haben. Hirad, ich sollte tot sein.«

    »Aber du bist nicht tot, und es ist mir egal, wie es dazu gekommen ist. Du bist es. Bei den Göttern, du bist es wirklich.«
    »Würdest du das auch noch sagen, wenn du zu Septerns Scheune zurückkehrtest?«
    »Ich …« Hirad hielt verwirrt inne. »Ja, warum eigentlich nicht?«
    »Weil ich immer noch dort unter der Erde liege. Wo ist Denser?« Der Unbekannte schaute an Hirad vorbei.
    »Draußen«, sagte der Barbar unbestimmt. »Was willst du denn von ihm?«
    »Ich muss mich um ihn kümmern.« Er entfernte sich von Hirad, der Anstalten machte, ihm zu folgen.
    »Lass ihn«, sagte Ilkar. »Komm her und trink und iss etwas. Du musst doch am Verhungern sein.«
    Hirad beobachtete den Unbekannten, bis dieser das Zelt verlassen hatte. »Ja, ich bin völlig erledigt«, gab er zu. »Was ist hier eigentlich los?« Er ging zum Tisch. Ilkar schenkte ihm einen Becher Wein ein und schob ihm die Teller mit Fleisch und Brot hinüber.
    »Setz dich«, sagte Ilkar. »Du musst verstehen, wie schwierig es für ihn ist, dies alles zu akzeptieren.«
    Hirad starrte ihn an, er verstand überhaupt nichts mehr.
    »Schau her, Hirad, für uns ist er der Unbekannte, den wir von früher kennen. Er sieht so aus, er bewegt sich so, er redet so, alles passt. Die Narben auf seinem Rücken und seinem Schenkel sind da, auch der Knoten an seinem Knie, und seine kleine Zehe fehlt. Er ist es, genau wie wir ihn kennen. Seine Seele ist da, sein Bewusstsein, seine Erinnerungen, alles. Aber er weiß etwas, das keiner von uns wirklich begreifen kann. Er weiß, dass er losgehen und seine eigene Leiche ausgraben könnte. Denk doch mal darüber nach.«

    Hirad überlegte einen Moment. »Was hat das denn alles zu bedeuten, und warum macht er sich solche Sorgen um Denser?«
    »Ich glaube, er ist im Augenblick ziemlich verwirrt. Erienne wird sicher bestätigen, dass nicht alles, was er sagt, völlig verständlich ist.« Erienne nickte. »Er verdrängt im Augenblick, was er nicht bewältigen kann, und so tut er das Naheliegende und will Denser beschützen. Vergiss nicht, dass es erst gestern geschehen ist, Hirad. Er selbst hat es ganz gewiss nicht vergessen. Vielleicht vergisst er es nie mehr. Tatsache ist, dass wir es einfach nicht genau wissen.«
    »Also ist er es?«, fragte Hirad.
    »Ja, bei den Göttern, ja.« Ilkar beugte sich vor. »Aber er hat ein paar einzigartige Probleme, die nur er ganz allein lösen kann. Du musst ihm Zeit lassen.«
    »Ich wusste doch, dass es zu schön war, um wahr zu sein.«
    »Hirad, beruhige dich. Er dachte, er sei tot, er ist als Protektor wieder erwacht, und dann noch einmal als er selbst. Lass ihm Zeit.« Ilkar hielt Hirads aufgebrachtem Blick stand. Er sah die Enttäuschung in den

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