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Der Cartoonist

Der Cartoonist

Titel: Der Cartoonist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sean Costello
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griffen nach ihm ... Das
Geräusch erinnerte ihn an die Algen, die sich im Totentanz gewiegt hatten. Wie
unter einem Zwang lauschte er dem gleichförmigen, hypnotischen Rhythmus.
    Eingelullt von
der Geräuschkulisse, schlief er irgendwann ein. Und glitt abwärts, immer weiter
abwärts.

Auf dem Grund
angekommen, tauchte er mit den Füßen voran in eine Lache schwarzen Wassers.
Aber es war gar kein Wasser, sondern Treibsand, ein modriger, klebriger Morast,
in dem er jetzt schon bis zur Taille steckte und von Sekunde zu Sekunde
schneller versank. Um ihn herum breitete sich eine formlose, graugrüne Masse
aus, ein Nebel, der so dick war, dass er wie flüssig wirkte.
    Jetzt
durchbrachen Schritte die Stille - gemächliche, lockere Schritte, die einen bestimmten Takt einhielten. Scott brüllte etwas durch den
flüssigen Nebel, doch aus seiner Kehle drang kein Laut, nur ein großer
Luftstrom, der hoch in die Dunkelheit blubberte. Vergeudeter Sauerstoff.
    Die Schritte
verwandelten sich in ein gespenstisch blasses Gesicht mit blutroten Augen, das
körperlos im trüben Licht zu schweben schien. Das koboldhafte Grinsen dieses
Gesichtes wirkte irgendwie vertraut. Es trieb auf ihn zu, schien durch
irgendeine Schutzschicht aus Schlamm zu dringen ... und wurde zu Kaths Gesicht,
das übermütig grinste.
    Aber ihre
Augen waren immer noch rot... rot, stumpf und voller Hass.
    Als er
blinzelte, war es wieder seine Kath, die wunderbare Kath mit den blauen Augen,
die ihren orangeweiß gestreiften Badeanzug trug. Sie bewegte sich auf den
Morast zu, beugte sich herausfordernd zu ihm herüber und lächelte.
    »Hallo,
Daddy«, sagte sie mit einer Stimme, die nicht ihr gehörte. »Du wirst da drin
sterben .«
    Von Kaths Hand
baumelte die gelbe Minolta. Lachend hielt sie ihm die Kamera vor die Augen. Als
gleich darauf das Blitzlicht aufflammte, war weit über ihm die Unterseite des
Landestegs in jeder Einzelheit zu erkennen.
    »Hilf mir,
mein Liebling«, sagte Scott, während grelle Punkte auf seiner Netzhaut tanzten.
»Um Himmels willen, hilf mir !«
    Aber Kath
grinste nur, beugte sich noch weiter über das morastige Loch und reichte ihm
die Kamera. »Hier, Daddy. Jetzt kannst du mich fotografieren .«
    Scott spuckte
Treibsand aus. Er spürte, wie er zwischen seinen Zähnen knirschte. Ihm war
klar, dass der Treibsand ihn bald verschlingen würde.
    Doch er nahm
die Kamera und hielt sie sich vor die Augen.
    Und als das
Blitzlicht durch den Dunstschleier drang, sah er durch den Sucher, dass es
nicht seine Tochter war, die er fotografierte, sondern irgendetwas anderes.
Etwas mit blutleerer weißer Haut, silbernem Haar... und hasserfüllten roten
Augen. Er kannte diese Augen. Sie wirkten wie die eines Tieres, das wie gebannt
im grellen Scheinwerferlicht eines näher kommenden Wagens sitzen bleibt.
    Als sich der
kühle Treibsand bis in seine Nasenlöcher vortastete, ließ er die Kamera fallen.
Sie trieb davon, in die graugrüne Masse über seinem Kopf. Da er kaum noch Luft
bekam, hob er das Kinn aus dem Morast, der mittlerweile schon in seine Ohren
drang.
    Kaths Gesicht
hatte sich wieder vom Körper gelöst. Jetzt verschwamm es vor seinen Augen,
verzerrte sich, fiel auseinander, verspritzte Blut...
    Aber es konnte
ihm nichts mehr anhaben. Nein. Denn jetzt legte sich der Treibsand auch über
seine Augen. Und er ertrank darin, sank tiefer und tiefer und tiefer ...
    Scotts Schrei
erschreckte Krista so, dass sie selbst aufschrie und davon aufwachte. Als sie
ihre Augen aufschlug, stellte sie fest, dass sich Scott bei dem Versuch, sich
im Bett hinzuknien, in die Laken verwickelt hatte.
    »Scott«, rief
sie und griff nach seinem völlig erstarrten Arm. »Scott, was ist los ?«
    Schweißnass
und wie eine Maschine keuchend, öffnete Scott die Augen. Als er die vom Wind
aufgebauschten Gardinen, die vertrauten Umrisse des Schlafzimmermobiliars und Krista
entdeckte, ließ er sich gegen die Kopfstütze fallen.
    Krista zog ihn
hinunter, küsste ihn und kuschelte sich in Löffelstellung eng an seinen Rücken.
Leise und beruhigend sprach sie auf ihn ein, während draußen der Wind ums
Fenster strich.
    Ehe er wieder
einschlief, bat Scott sie noch, das Fenster zu schließen.
    Sie tat es,
ohne irgendwelche Fragen zu stellen. Als sie zurück ins Bett kam, fiel Scott
auf, dass die hauchdünnen Gardinen am Fenster jetzt ganz leblos herunterhingen.
    Nachdem das
Fenster geschlossen war, fühlte er sich wohler. Jetzt konnte er die Wellen
nicht mehr hören.
    Er sank

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