Der Chirurg von Campodios
Winzling kicherte.
Vitus fragte: »Wollt ihr nicht mithalten, Freunde? Allein schmeckt es nur halb so gut.«
Der Zwerg und Hewitt lehnten entrüstet ab.
»Wohlan, man soll die Menschen nicht zu ihrem Glück zwingen!«, verkündete der Magister und schob zu dem Käse noch eine Portion Fleisch in den Mund. Kauend und gestikulierend fuhr er fort: »Auch wenn sie’s tausendmal verdienen, weil sie ihre Freunde vor dem Tod bewahrt haben.«
Hewitt merkte, dass besonders er gemeint war, und wurde verlegen. »Meinst du, nur weil ich Jawy auf die Idee mit dem Löse …«
»Genau das meine ich. Ohne deine Geistesgegenwart säßen wir nicht hier in trauter Runde.«
»Es war das wenigste, was ich machen konnte, schließlich war ich es, der uns das alles eingebrockt hat.« Aus Hewitts Verlegenheit war Zerknirschung geworden.
Vitus blickte erstaunt. »Wie meinst du das?«
»Nun.« Dem jungen Matrosen schien das Thema sichtlich unangenehm zu sein, dennoch wollte er es zur Sprache bringen. »Vitus, nun, äh … Es geht um den Abend, als ihr beide, du und der Magister, an Bord der
Torment
geklettert seid.«
»Ja? Und?« Vitus horchte auf.
»Tja, also, da hatten wir doch ein Lichtzeichen ausgemacht, mit dem ihr gewarnt werden solltet, falls irgendetwas schief läuft.«
»Richtig.«
»Es passierte auch etwas, ich hörte nämlich plötzlich Geräusche, wie wenn Riemen ins Wasser tauchen, und wollte euch schon warnen, doch dann war wieder Stille, und ich dachte, ich hätte mich geirrt. Aber ich hatte mich nicht geirrt. Mittlerweile weiß ich nämlich, dass Jawy sich an jenem Abend mit dem Beiboot des Guineaman zur
Torment
rudern ließ. Buster, ein Bursche, der dabei war, hat mir erzählt, wie sich alles zutrug.
Jawy, sagte er, hätte von Anfang an ein komisches Gefühl gehabt, schon als sie am Nachmittag in die Bucht einliefen. Deshalb hätte er in einem der anderen Seitenarme geankert und sich erst bei Dunkelwerden zur
Torment
rudern lassen. Als er dann merkte, dass sein Schiff wie ausgestorben war, keine brennende Hecklaterne, keine Feuerstelle, keine Wachen oder sonst was, wäre er erst recht misstrauisch geworden. Er und seine Männer hätten sich dann unter der Kreuzrüst hochgehangelt und wären heimlich an Bord geschlichen. Ja, und dann haben sie dich und den Magister überrascht. Ihr seht, es ist also alles meine Schuld.«
»Gickgack, Blausinn!« Noch ehe Vitus etwas sagen konnte, sprach der Zwerg dazwischen: »’s is genauso mein Mist. Hab nix geschallt, un ich hätt’s schallen können, hab aber geratzt, wui, wui, geratzt hab ich.«
»Regt euch nicht auf, Freunde.« Vitus hob die Hände. »Als der Magister und ich auf dem Weg zu Jawys Kajüte waren, glaubte auch ich, so etwas wie Rudergeräusche gehört zu haben. Und genau wie du, Hewitt, dachte ich, ich hätte mich getäuscht. Ihr seht also, wenn überhaupt, haben wir alle Schuld an der jetzigen Situation.«
Hewitt atmete hörbar aus. Das Schuldgefühl, das er die ganze Zeit mit sich herumgetragen hatte, ließ nach. Ein Lächeln stahl sich auf seine Lippen. »Aber ich habe auch eine gute Nachricht, Vitus: Deine Sachen sind wieder da.«
»Meine Sachen sind wieder … nein! Sag das noch mal!«
»Deine Sachen sind wieder da, ich habe sie in Gewahrsam. Sogar dein Stecken hat sich eingefunden.« Hewitt erzählte in allen Einzelheiten, wie er an Vitus’ Habe gekommen war. Als er geendet hatte, griff Vitus durch die Gitterstäbe und schüttelte ihm die Hand:
»Das hast du großartig gemacht, Hewitt, großartig! Ich danke dir!«
Auch dem kleinen Gelehrten stand die Freude ins Gesicht geschrieben. »Ich schließe mich den Worten meines Vorredners an. Jetzt fehlt nur noch ein kleiner Spaziergang an Deck, und ich wäre wunschlos glücklich!«
»Was nicht ist, kann vielleicht werden.« Hewitt berichtete, wie er versucht hatte, von Jawy dazu die Erlaubnis zu bekommen, schloss dann aber: »Allzu viel Hoffnung kann ich euch nicht machen, denn Jawy meinte, das käme nicht in Frage, besonders du, Vitus, seist zu gefährlich.«
Der Magister gab sich empört: »Was heißt hier, Vitus sei zu gefährlich? Der Nussknacker kennt mich doch gar nicht! Aber das wird sich ändern! Lasst uns erst einmal hier heraus sein, dann werde ich’s ihm schon zeigen.« Er grinste. »Aber so weit ist es noch nicht. Wer hat eigentlich den Schlüssel zum Gitterschloss?«
»Blubber«, antwortete Hewitt. »Und wahrscheinlich hat Jawy auch einen.«
Vitus fragte: »Kannst du an einen der
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