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Der Chirurg von Campodios

Der Chirurg von Campodios

Titel: Der Chirurg von Campodios Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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Gewissen?«
    »Selbstverständlich, Verehrteste. Es würde mir nicht im Traum einfallen, Euch einen Bären aufzubinden.«
    »Hm. Ich hab ’n Wunsch, ’n großen sogar, will nach Neu-Spanien un mir da ’n feinen Mann angeln, ’n piekfeinen Don, der Zaster wie Heu hat un mich auf Händen trägt, und Phyllis will’s auch. Willst doch auch ’n Freier, der für immer bei dir anlegt, nich, Phyllis, aber fein musser sein, richtich fein, nich?«
    »Ja, ja, fein«, bestätigte Phyllis.
    »Tja, wenn das so ist, brauchen wir ja nichts weiter als eine zweite Möwe.«
     
    Die folgenden Wochen brachten es mit sich, dass Stout zum ersten Mal an seinem Glück zweifelte. Schuld daran war ein Sturm, der die
Gallant
hartnäckig in seinen Fängen hielt und sie auf das heftigste durchpustete. Immer dann, wenn der Kapitän dachte, er sei dem Unwetter entwischt, und wieder Kurs Madeira nehmen wollte, meldeten sich die widrigen Winde zurück. Es war wie verhext. Wo blieb sein Glück? Stouts Flüche verwehten im Tosen der anbrandenden Wogen, und jeder Tag, den die
Gallant
verlor, schien ihm wie verlorener Gewinn.
    Die Mannschaft, ohnehin geschwächt, musste ihr Äußerstes geben, um das Schiff zu retten, denn die Galeone war zwar stark gebaut, aber Rigg und Segeltuch schlecht in Schuss. Jetzt rächte sich, dass Stout an allem gespart hatte. Es gab nicht genug Teer, um Wanten und Webeleinen vor den Witterungseinflüssen zu schützen, es gab kaum Schmierfett, um die Rüsteisen vor Rost zu bewahren, und es gab nicht einmal – kaum glaublich zu dieser Jahreszeit – verstärkte Schlechtwettersegel. Wenige Tage vor Christi Geburtstag, an einem böigen, aber regenfreien Nachmittag, stand Vitus mit seinen Freunden wieder einmal auf dem Hauptdeck und beobachtete die Matrosen bei der Arbeit. Der Zustand der Männer hatte sich, trotz all seiner Bemühungen, nur unwesentlich gebessert, was angesichts der minderwertigen Verpflegung kein Wunder war. »Ich fürchte, auf Dauer wird der Scharbock allen den Garaus machen!«, rief er gegen den schräg einfallenden Wind. »Auch den beiden Fieberfällen geht es unverändert schlecht. Ob sie durchkommen, ist mehr als fraglich. Sie haben weiterhin Hautausschlag, und Leber und Milz sind stark vergrößert. Nachdem sie gestern erdfarbenen Auswurf hatten, bin ich fast sicher, dass sie am Schwarzen Erbrechen leiden.«
    Der Magister und der Zwerg blickten erschreckt.
    »Mein Kantharidin geht überdies zur Neige, und zu allem Übel ist heute Morgen noch der Koch mit hohem Fieber zusammengebrochen. Wenn das so weitergeht und wir nicht bald in Funchal frische Lebensmittel und Medikamente an Bord nehmen können, weiß ich nicht mehr weiter.«
    Der Winzling spitzte sein Fischmündchen und deutete mit seinem Kinderarm zu den Tierkäfigen. »Wui, Vitus, da is doch noch der Kleebeißer, der würd ’n frischknäbbigen Brutzelbraten abgeben!«
    »Das Schaf ist tabu, Enano, du weißt selbst, dass es dem Kapitän gehört.«
    »Wui, wui, ’s weiß ich schon …«
    »Ach was, ihr zwei.« Der Magister rückte seine Berylle zurecht und blinzelte aufmunternd. »So schlimm wird’s schon nicht werden. Dir, Vitus, ist bislang noch immer etwas eingefallen!« Doch am Klang seiner Stimme war abzulesen, dass der kleine Mann selber zweifelte.
    Mit einem missmutigen Grunzen schnitt Stout die letzte Scheibe vom Knochen seines Schinkens herunter. Er saß in seiner Kajüte hinter dem Kartentisch und machte sich Sorgen um den Mannschaftskoch Barks, der – aus Ersparnisgründen – gleichzeitig sein persönlicher Speisenzubereiter war. Es klopfte. Hastig schlang Stout die Scheibe hinunter. Es schien sein Schicksal zu sein, die schweinerne Räucherware nicht in Ruhe verspeisen zu können. Jetzt war sie alle – und seine Laune auf dem Tiefpunkt angelangt. Er bellte: »Ja, herein!«
    »Wui, Herr Kaptein. Sollt kommen in Euer Heiligstes. Da bin ich.«
    Vor Stout, der noch den blanken Knochen in der Hand hielt, stand der Zwerg.
    »Schön, dass du endlich da bist, äh …« Stout unterbrach sich. Es fiel ihm schwer, die lächerliche Missgeburt da vor ihm in der gebotenen Form anzureden. Doch immerhin ging es um sein leibliches Wohl, und er hatte gehört, dass der Zwerg schon als Schiffskoch gearbeitet hatte. Ein gewisses Maß an Höflichkeit konnte deshalb nicht schaden. »… dass Ihr gekommen seid. Ich möchte etwas mit Euch besprechen.«
    »Wui, wui, Herr Kaptein, hab’s schon getickt, wär sonst nich hier, wie?«
    Stout, der sich

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