Der Clan
wenn du es genau wissen willst«, sagte Angelo. »Ich habe sogar damit aufgehört, es mir egal sein zu lassen.«
»Mach mir nichts vor«, sagte Roberta. »Du hast mehr als nur einmal zugegeben, daß Autobauen das einzige auf der Welt ist, das dich interessiert. Und so ist es ja wohl auch. Tatsache ist doch, daß dich Autobauen noch geiler macht, als wenn man dir den Schwanz lutscht, so sieht es aus! Ich hasse ja diese blöde Redensart vom Vollblut. Aber wenn es denn tatsächlich jemals auf wen paßte, dann auf dich. Vollblutautobauer.«
Angelo holte tief Luft und seufzte. »Und XB ist nun mal leider die einzige Firma, bei der ich wirklich durchsetzen kann, Autos zu bauen, wie ich sie mir vorstelle.«
»Bei den großen Drei nähme man dich jederzeit mit Handkuß. Nur, da müßtest du .«
»... mit Ausschüssen arbeiten, ich weiß, und mit endloser Bürokratie, mit Arbeitsteilung und zehntausend Managern, die tagelange Sitzungen über jede Schraube veranstalten.«
»Und so funktioniert ein Angelo Perino natürlich nicht«, meinte sie. »Angelo Perino liebt keine Organisation, ist nicht bereit, sich in
Hierarchien einzuordnen und will keinen Chef über sich dulden. Er ist sein eigener Gott. Das gefällt mir ja gerade an dir. Auch ich erkenne niemanden als Boß an. Habe ich nie, werde ich auch nie.«
»Ich habe für den Stallion S. den Kopf hingehalten. Natürlich ist mir klar, warum sich Loren freut, daß er kein Erfolg wurde.«
»So stimmt das doch gar nicht, mein Lieber«, korrigierte ihn Roberta. »Nicht der Wagen war kein Erfolg. Amerika war keiner. Die Leute haben nicht kapiert, was er für ein Angebot war.«
Angelo winkte ab. »Das macht keinen Unterschied. Das ist Jacke wie Hose. Schönreden nützt da nichts.«
Roberta stand auf und ging zum Fenster. Sie nahm ihr Rotweinglas mit und blieb einen Moment stehen. Hunderte Menschen gegenüber im großen Bürohaus des Renaissance Center mußten sie sehen können. Angelo eilte zum Fenster und zog den Vorhang zu.
Roberta lächelte ihn träge an und ließ ihn merken, daß ihr die Vorstellung, so wie sie war, gesehen zu werden, gar nicht so schlecht gefallen hätte. Sie kehrte zurück zum Tisch und zu ihrem Essen.
»Der Stallion macht Sorgen«, sagte sie beiläufig.
Angelo winkte ab. »Das tut er schon seit vier Jahren. Es war meine eigene Idee, das gleiche Modell mehrere Jahre lang zu bauen, damit die Käufer nicht jedes Jahr in die übliche Verlegenheit gestürzt werden, im Oktober wechseln zu müssen, nur um nicht in die Verlegenheit zu kommen, daß sie das Modell vom letzten Jahr fahren. Ein paar kosmetische Korrekturen, gut, aber ansonsten blieb er der gleiche 81er Wagen. Jetzt doch ist es Zeit für ein ganz neues Modell. Aber Loren und sein Vorstand wollen nicht.«
»Geld«, sagte Roberta.
»Ohne daß man Geld reinsteckt, gibt es auf der ganze Welt kein Geschäft.«
»Jedenfalls sind sie fest entschlossen, kein Auto mit einer Kunstharzkarosserie zu bauen. Genau das möchtest du, sagen sie, weil du die amerikanischen Rechte auf das Zeug hast.«
»Die denken alle immer nur mit ihren Scheuklappen. Und nach ihren eigenen Moralmaßstäben. Weil sie andere übers Ohr hauen, meinen sie, alle andern tun es grundsätzlich auch.«
»Abgesehen davon«, sagte Roberta, »was würdest du denn mit dem Stallion machen, wenn du könntest?«
»Ihn modernisieren. Etwas kleiner machen. Für das, was man mal die amerikanische Familienkutsche nannte, diese Ungetüme für sechs Leute, gibt es heute kaum noch einen Markt. Jedenfalls ist er gewaltig geschrumpft. Familien, die heute noch sechs Leute in ein Auto packen wollen, kaufen sich gleich einen Kombi oder Kleinbus. Schau dir doch mal an, was heute auf den Straßen fährt. In neun von zehn Autos sitzt nur noch ein einziger Mensch.«
»Ein völlig neues Auto ...«, sinnierte Roberta.
»Das wir aber nicht zu einem akzeptablen Preis bauen und verkaufen können, wenn wir weiter in dem veralteten Sundancer-Werk produzieren. Ich habe Schweißroboter vorgeschlagen und sonst noch allerlei moderne Technologie. Das sind Dinge, die heute entscheidend sind, Roberta. Du möchtest, daß die Firma weiterbesteht. Dann muß dir auch klar sein, daß das 21. Jahrhundert bevorsteht. XB muß eine Firma des 21. Jahrhunderts werden.«
»Wärst du bereit, deinen Vizepräsidentenposten wieder zu übernehmen, wenn du alle Veränderungen vornehmen könntest, die du möchtest?«
»Nein, auch dann nicht. Keijo und ich sind mit dem Epoxidharz
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