Der Clan
mit Jeans und weißem Golfhemd. Sie sah ihn lange prüfend an.
»Ja, Mutter?«
»Ich muß dir etwas sagen«, erklärte sie schließlich streng. »Bis zu deinem Abschluß und dieser Gala für dich gestern habe ich es zurückgestellt. Aber noch länger habe ich diese Absicht nicht.«
»Ja?«
Betsy hatte ein Foto in der Hand. Ein Polizeifoto von einer jungen Frau, die ausdruckslos in die Kamera blickte. Sie reichte es ihm. »Erkennst du sie?«
»Aber natürlich. Das ist Penny!«
»Lady Penelope Horrocks, meinst du?«
»Ja! Was in aller Welt hat das ...?« Er wurde blaß.
»Lady Penelope Horrocks, lieber Van, ist zweiundsiebzig Jahre alt und lebt in Kensington. Die junge Frau auf dem Foto da ist fünfundzwanzig und heißt Rebecca Mugrage, und sie wohnt in Camden Town. Das Foto wurde meinem Mann von der Polizei zur Verfügung gestellt. Es wurde im Gefängnis von Holloway aufgenommen, bei ihrem Strafantritt von einem Jahr wegen Kreditkartenbetrugs. Sie stand auch schon dreimal vor dem Gericht in der Bow Street wegen Prostitution.«
Van warf das Foto auf das Bett. »Das glaube ich nicht!« murmelte er.
»Solltest du aber lieber. Hast du schon einen HIV-Test gemacht? Die Chancen, daß sie dich angesteckt haben könnte, sind nicht eben gering.«
»Aber warum?« stotterte Van unter Schluchzen. »Warum sollte sie ...?«
»Das herauszufinden«, sagte Betsy grimmig, »habe ich ganz entschieden vor.«
»Sie kannte aber doch einen meiner Freunde! Und sie erinnerte sich, wo wir uns zuerst gesehen hatten. Bei einem Curlingturnier.«
»Eben, und das sind Informationen, die sie sich nicht selbst verschafft haben kann«, sagte Betsy. »Die hat ihr jemand besorgt. Und bei Gott, ich werde herausfinden, wer! Aber du verdammter Narr hast wegen dieser Nutte das Mädchen betrogen, das du liebst und das dich liebt! Wegen eines professionellen Strichmädchens!«
»Mutter!«
»Genau das ist sie, nichts anderes, Junge! Sogar noch schlimmer. Und wegen so einer willst du auf das Jurastudium verzichten? Ich muß mir wohl den Vorwurf machen, keine gute Mutter gewesen zu sein. Ich, oder zumindest Max, hätten dich vermutlich genauer über die Tatsachen des Lebens informieren müssen.«
Van vergoß Tränen. »Was soll ich denn nun mit Anna machen?«
»Sag ihr die Wahrheit. Und rühr sie nicht an, bevor du nicht ärztlich untersucht bist. Dann ruf in der Harvard Law School an und sieh zu, daß sie deine verspätete Bewerbung noch annehmen. Deine Abschlüsse waren hervorragend, und es könnte durchaus sein, daß sie noch einen Platz für den Herbst frei haben. Und bleib hier. Ich werde Angelo bitten, daß er dir irgendeinen Ferienjob verschafft. Du lernst besser, wer deine wirklichen Freunde sind.«
Es war nicht übermäßig schwer, herauszufinden, wer hinter Rebecca Mugrage stand. Sie hatte sich nicht nur Van gegenüber als Lady Penelope Horrocks ausgegeben, sondern auch bei dem Autoverleih, wo sie den Jaguar gemietet hatte. Um dabei keine Schwierigkeiten zu haben, hatte sie einen gefälschten Führerschein auf den Namen der Lady vorgelegt. Im Gefängnis, wo sie eine Strafe wegen Betrugs erwartete, legte sie ein volles Geständnis ab.
Angelo unterbrach seinen Flug nach Berlin in London und aß mit Viscount George und Viscountess Elizabeth im Neville House. Betsy hatte Kerzenlicht und das antike Familiensilber auftragen lassen und das kostbare Geschirr, das Kriege und erdrückende Steuern überstanden hatte. Obwohl der Viscount sehr wohl über die Beziehung zwischen seinem Gast und seiner Ehefrau unterrichtet war, hätte er nicht liebenswürdiger sein können.
Erst nach dem Essen, bei Kaffee und Cognac, teilte Betsy Angelo mit, warum sie so dringend darauf bestanden hatte, daß er seinen Flug nach Deutschland bei ihr unterbrach.
Sie reichte ihm Papiere. »Das ist eine Kopie des Geständnisprotokolls«, sagte sie. »Auf der zweiten Seite kannst du lesen, wer sie angeheuert und bezahlt hat. Roberta.«
Angelo reichte ihr die Blätter zurück. »Das bedeutet wohl«, sagte er, »daß ich jetzt in den offenen Krieg gegen deinen Vater ziehen muß. Ich mache ihn fertig. Wie ist das, willst du dich vornehm raushalten oder bist du auf meiner Seite?«
Betsy zögerte kurz. »Das hängt davon ab, wie du es machen willst«, sagte sie ruhig.
»So jedenfalls nicht«, sagte Angelo.
4
Loren warf den Aktenordner quer durch sein Büro, daß die Blätter herumflatterten. »Himmeldonnerwetter noch mal!« brüllte er. »Die Hurensöhne haben uns den
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